Das Licht fällt gleißend durch das saftig-frische Grün der Bäume. Der Blick richtet sich gen Himmel. Später schimmert die Sonne durchs Laub. Früher Morgen oder doch später Nachmittag? Ein zauberhafer Effekt jedenfalls. Eine Idylle. Doch nicht nur. Auf einmal sehen wir wild fräsende Braunkohlebagger, Monster der Technik, und riesige Areale mit Autos, die nur darauf warten, die Luft verpesten zu können – diese Bilder wiederum stören das Naturhafe, Ursprüngliche.
Der Münchner Fotograf Tobias Melle hat sich daran gemacht, Beethovens sechste Sinfonie, die »Pastorale«, mit Bildern zu visualisieren. Ein groß angelegtes Projekt, das den jährlichen Weltumwelttag der Vereinten Nationen am 5. Juni in der Duisburger Mercatorhalle mit Beethovens Feierlichkeiten zum 250. Geburtstag verbinden wird. Am »Pastoral Project« beteiligen sich weltweit zahlreiche Orchester, Laien- und Jugendensembles, Kammermusik-Gruppen und andere Formationen. Und eben die Duisburger Philharmoniker. Während der Live-Aufführung werden Melles Projektionen zu sehen sein und Beethovens Klassiker in überraschendem Kontext erlebbar machen.
Ein Baum für jedes verkaufte Ticket
Dieses herausragende Projekt, das romantischen Naturbegriff und modernes Klimaschutz-Denken in Einklang bringen soll, wird auch ganz praktische Konsequenzen nach sich ziehen. Denn in Zusammenarbeit mit Plant-for-the-Planet soll für jedes verkaufe Konzertticket ein Baum gepflanzt werden. »Pastoral-Sinfonie oder Erinnerung an das Landleben, mehr Ausdruck der Empfndung als Malerei«, nannte Beethoven seine Sechste in einem Brief an seinen Verleger und irritierte mit seiner Musik die zeitgenössischen Hörer. Das Werk zähle »zu den merkwürdigen Schöpfungen des menschlichen Geistes«, meinte einer der damaligen Kritiker. »Excentrisch« sei es, und: Beethoven »erhebt uns über das Gemeine, und versetzt uns, obwohl manchmal ziemlich unsanf, in das Reich der Phantasie.« Genau das machen nun auch die Duisburger Philharmoniker, wenn sie mit Tobias Melle die »Pastorale« mehrdimensional zum Erlebnis machen: Klang und Bild verschmelzen zu einer Einheit.
Nun ist Beethoven längst nicht der erste Komponist gewesen, der die Natur als Klanggemälde begreif. Der französische Barock-Komponist Jean-Féry Rebel etwa liefert in seiner originellen Orchestersuite »Die Elemente« eine Idee vom Chaos, zumindest im ersten Abschnitt. Die Vorstellung von Wasser, Erde, Feuer, Luf fndet jeweils eine Umsetzung vom Feinsten, auch dank der scharfen Zeichnung von Gegensätzen. Eine energiegeladene Musik, die im Kontrast steht zum klingenden Sternenhimmel des elsässischen Impressionisten Charles Koechlin.
»Eine ganz entfernte Welt« hat schließlich Henri Dutilleux sein Cellokonzert von 1970 genannt und darin kosmische Reize beschworen. Den Solopart in diesem Konzert
wird der israelisch-amerikanische Cellist Matt Haimovitz übernehmen, ein Tausendsassa, der mit ungewöhnlichen Programmen und CD-Projekten einen ganz eigenen Künstler-Weg jenseits des Mainstream gefunden hat. Die musikalischen Fäden des Konzerts laufen bei Duncan Ward zusammen, einem jungen Briten, der vor einigen Jahren von Simon Rattle an die Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker geholt wurde und der seither zum Stammgast in europäischen Konzert- und Opernhäusern avancierte.
Pastoral Day, Freitag, 5. Juni 2020, 20 Uhr, Philharmonie, Marcatorhalle
Im Widerschein des Kosmos, Die Pastorale in Bildern, Duisburger Philharmoniker, Duncan Ward (Dirigent), Matt Haimovitz (Violoncello), Tobias Melle (Live-Projektion)