»Meine Ohren, die sausen und brausen Tag und Nacht fort. Ich kann sagen, ich bringe mein Leben elend zu. Seit zwei Jahren meide ich alle Gesellschaften, weils mir nun nicht möglich ist, den Leuten zu sagen: ich bin taub. Hätte ich irgendein anderes Fach, so gings noch eher. Aber in meinem Fach ist das ein schrecklicher Zustand.« Diese Zeilen der völligen Verzweiflung schrieb Ludwig van Beethoven bereits 1801 an einen Freund. Fortan sollte ihn jenes Schicksal ereilen, das für Komponisten wohl das Schrecklichste ist – die völlige Taubheit. Über seinen schöpferischen und lebenspraktischen Umgang mit seinem Los ist natürlich viel geschrieben und doziert worden. Doch bei zeitgenössischen Komponisten war dies bislang kaum ein Thema.
Neuer Blick auf Beethovens Erbe
Für das von der Kölner Philharmonie initiierte »Non-Beethoven«-Projekt hat jetzt die Italienerin Lucia Ronchetti den Obduktionsbericht Beethovens zum Ausgangspunkt ihres neuesten Stücks gemacht. »Der Ohrknorpel zeigte sich groß und unregelmäßig geformt«, so die Ärzte nach Begutachtung von seinem Leichnam. Um diese Diagnose dreht sich nun Ronchettis Werk für einen Pianisten und zwei Percussionisten, das unter anderem von Herbert Schuch uraufgeführt wird. Auch mit einem solchen Abend geht die Kölner Philharmonie ab Mitte Dezember einen etwas anderen Weg der Würdigung und Huldigung des Jubilars 2020. Statt Beethovens bestens bekannte Ohrwürmer wie die vom »Ta-ta-ta-taaaa«-Pochen eingeläutete Fünfte abzuspulen, wirft man bis Juni in elf Konzerten auch über Auftragskompositionen einen neuen Blick auf dessen Erbe. Namhafte Tonsetzer beteiligen sich daran, darunter Jörg Widmann, Klaus Lang und Toshio Hosokawa. Zu den Meisterinterpreten und Top-Ensembles zählen Sopranistin Anna Prohaska, Dirigent Daniel Harding, das Ensemble Modern und Percussionist Martin Grubinger.