Mit »Eiscafé Europa« von Enis Maci fing alles an. Als der Essayband im September 2020 den Literaturpreis Ruhr gewann, stand für Sandra Da Vina fest: Das wird das erste Buch, das sie mit anderen im Netz lesen möchte. Denn ihr »Lesezirkel Literaturgebiet« ist kein gewöhnlicher Lesekreis, er findet auf Instagram statt. Das hatte aber nur zweitrangig mit der Pandemie zu tun. Der Lesezirkel hatte schon vorher online als Projekt des Netzwerkes Literaturgebiet Ruhr bestanden, geleitet von der Autorin Karosh Taha.
Im Herbst 2020 übernahm dann Sandra Da Vina das Format – und damit eine Autorin, die selbst viel auf Bühnen unterwegs ist, aber auch im Netz: 2014 hatte sie die Poetry-Slam-Landesmeisterschaften in NRW gewonnen und 2018 ihr Buch »Vom Kuchen und Finden« herausgebracht. Jeden Monat lädt Sandra Da Vina eine Person aus dem Literatur- oder Kulturbetrieb ein, um mit ihr live auf Instagram über ein aktuelles Buch zu diskutieren. Am liebsten mit den Autor*innen selbst, zum Beispiel wie zuletzt mit Fatma Aydemir über ihren Roman »Dschinns«. Im Leseraum der Essener Buchhandlung Proust hatte sie vor einigen Wochen außerdem Elina Penner zu Gast. Live und analog, um über ihren Roman »Nachtbeeren« zu sprechen. Geplant ist aber, dass der Lesezirkel langfristig ein digitales Format bleibt. Aber warum eigentlich?
»Instagram bietet die Möglichkeit, viele literaturinteressierte Menschen auf einfachem Wege zu erreichen«, erklärt die 33-Jährige: »Die verschiedenen interaktiven Angebote wie Umfragen, Insta-Live’s oder die Kommentarfunktion erschienen uns gute Tools zu sein, um die Diskussion im digitalen Raum zu versuchen.« Rege diskutiert wird unter den Posts zwar eher weniger. Da Vina sieht dennoch die Vorteile von Instagram: »Es kann jede*r selbst entscheiden, wie er oder sie sich beteiligen möchte – manche lesen und diskutieren, andere beobachten einfach nur.« Die inzwischen knapp 1.000 Follower*innen des Accounts erfahren hier nicht nur Hintergründe zum Buch und zu der Autor*in. Zusätzlich zeichnen Illustrator*innen monatlich ein Bild, das ihre Eindrücke zur ersten Seite widerspiegelt. Zudem wird der erste Satz per extra Kachel prominent ins Zentrum gerückt, »denn der erste Satz kann entscheiden, ob wir weiterlesen«.
Romane aus der Region
Welches Buch gelesen wird, dafür gibt es keine strengen Kriterien. Allerdings werde darauf geachtet, das sowohl die Auswahl der Autor*innen als auch der Themen in den Büchern, möglichst divers seien. »Wir versuchen das Leben abzubilden und dabei regelmäßig Romane aus der Region zu lesen – die entweder im Ruhrgebiet spielen oder von Autor*innen geschrieben sind, die hier leben.« Nur im Dezember wird es eine Ausnahme geben – dann wird die Community entscheiden. Im vergangenen Jahr voteten sie für »Nie, nie, nie« von Linn Strømsborg. Gerade bei diesem Buch sei eine rege Diskussion entstanden. »Da das Thema gewollte Kinderlosigkeit literarisch noch recht unbearbeitet ist, hat es die Leser*innen entsprechend polarisiert.«
Ab November geht Sandra Da Vina als Kabarettistin mit ihrem neuen Solo-Programm »Viva Da Vina« auf Tour. Davor spricht sie in der Oktober-Ausgabe des Lesezirkels aber noch mit der Gewinnerin des Literaturpreises Ruhr. Allerdings nicht über ihr eigenes Buch, denn Annika Büsings großartige, raue Liebesgeschichte »Nordstadt« war bereits im April Thema gewesen. »Dafür wird sie selbst ein Buch aussuchen, über das wir dann diskutieren«. Im Lesezirkel auf Instagram.
Sandra Da Vinas Lesezirkel findet sich auf Instagram hier:
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Sandra Da Vinas Solo-Programm feiert am 24. November
im zakk Düsseldorf Premiere: sandradavina.com