Die Kulturwissenschaftlerin Denise Gühnemann ist am Marler Grimme-Institut für den Bereich Medienbildung zuständig. Im Rahmen des in Düsseldorf stattfindenden »Next Level 2017 – Festival for Games« wird sie bei der von NRW KULTURsekretariat und k.west veranstalteten Reihe »Kultur im Gespräch« auf dem Podium die Schnittstelle zwischen Games und Kultur vertreten.
k.west: Frau Gühnemann, wann haben Sie das letzte Mal ein Computerspiel gespielt?
Denise Gühnemann: Vorgestern Abend mit meinem Ehemann zusammen, um mich zu entspannen. Zurzeit spielen wir die aktuelle Folge des Klassikers »Zelda – Breath Of The Wild«. Ein Abenteuerspiel mit ganz vielen Open-World-Elementen, die dem Spieler große Gestaltungs-Freiheit beim Spielerlebnis geben.
k.west: Sollten wir also alle mehr Computerspiele spielen?
Gühnemann: Ich würde mir auf jeden Fall mehr Interesse für das Medium wünschen. Natürlich ist unser aller Freizeit begrenzt, aber ich denke, dass der Bereich mittlerweile für jeden etwas bietet, auch für Menschen, die zunächst annehmen, keinen Zugang dazu zu haben. Für das Entspannen oder Eintauchen in eine andere Welt sind Computerspiele einfach noch mal ein anderes und aktiveres Erlebnis, als einen Film oder Fernsehen zu schauen.
k.west: Ist das Game-Erlebnis das bessere?
Gühnemann: Nein, es hat eine andere Qualität. Jedes Medium hat seinen eigenen Reiz. Ich würde nicht das eine gegen das andere eintauschen wollen.
k.west: Beeinflussen sich die Medien denn untereinander?
Gühnemann: Davon bin ich absolut überzeugt. Erzählweisen in modernen Fernseh-Serien orientieren sich mittlerweile an Spielen, auch die Gegenwartskunst wird durch das Digitale stark geprägt – und natürlich das Theater. Aber auch die Alltagswelt: Technische Interfaces und Benutzeroberflächen, zum Beispiel beim Smartphone, sind stark beeinflusst von denen in Spielen, weil es immer darum geht, wie der Benutzer dazu gebracht werden kann, das zu tun, was das Programm von ihm möchte.
k.west: Und wie ist es mit dem Bildungsbereich?
Gühnemann: Da gibt es seit Jahren die Tendenz zur Gamification als Gegenmodell zur Vorstellung, dass Lernen keinen Spaß machen soll. Dabei wissen wir alle, dass wir besonders gut lernen, wenn es Spaß macht. Gamer eignen sich oft ganz beiläufig Fachwissen an, schulen Reaktion und Schnelligkeit. Das kann alles für Bildung genutzt werden.
k.west: 2008 wurde der Verband der Spieleentwickler in den Kul-
turrat aufgenommen. Dennoch werden Computerspiele kaum als Kulturgut wahrgenommen.
Gühnemann: Der Produktcharakter bleibt da weiterhin im Vordergrund. Das hat auch mit der Berichterstattung zu tun. Eine kommerzielle Veranstaltung wie die Gamescom erhält viel Öffentlichkeit, andere Veranstaltungen, die nicht wirtschaftliche Interessen nach vorn stellen, tauchen in den Medien weniger auf. Es gibt aber durchaus auch eine breite Subkultur, wo Indie-Games mit sehr viel kleinerem Aufwand produziert werden, die viel freier von wirtschaftlichen Interessen mit dem Medium umgehen können. Da gibt es zwar auch entsprechende Festivals, doch um die wahrzunehmen, muss man ein gewisses Grundinteresse mitbringen.
k.west: Next Level zeigt sowohl den Independent-Bereich wie auch mit Ubisoft Blue Byte einen Big Player. Ist da Kunst möglich?
Gühnemann: Es kommt darauf an, mit welchem Kunstbegriff man da herangeht. Natürlich sind es auch bei den großen Games-Produzenten erst einmal kreative Schaffensprozesse – und die Spiele-Designer verstehen sich als Künstler, wenn sie eine Figur zeichnen oder eine Geschichte konzipieren. Das ist dann ein anderer Kunstbegriff als derjenige der modernen Kunst. Bei Games steht dem Kunstbegriff oft die Nutzbarkeit im Weg. Vielleicht sagen wir besser, es geht um Design.
Next Level
Anders als eine Messe, öffnet das Next-Level-Festival, veranstaltet vom NRW KULTURsekretariat, den Blick weit hinaus über das digitale Gaming. Neben Workshops für diverse Altersklassen, Gaming-Wettbewerben und einer Game-Art-Ausstellung des Spiele-Produzenten Ubisoft Blue Byte finden sich im Programm Veranstaltungen an der Grenze von bildender und darstellender Kunst. »Tenor« von der HS Düsseldorf ist eine interaktive Installation, bei der der Benutzer eine synthetische Tenorstimme allein durch Gesten und Bewegungen zum Singen bringt. »Exploded Views 2.0« ist eine Installation von Marnix de Nijs, die den Betrachter in eine fantastische Welt versetzt, die aus in Punktwolken aufgelösten Bildern bekannter Gebäude bestehen, die wiederum von Social-Media-Plattformen stammen. Der französische Choreograf Fabien Prioville widmet sich in seiner neuen Arbeit »How Do You Fear?« den Themen Macht, digitaler Wandel und damit verbundenen Ängsten (Uraufführung: 8. Nov., Tanzhaus NRW).
Next Level: 9. bis 12. Nov., Düsseldorf, NRW Forum und andere Orte, www.next-level.org
KULTUR IM GESPRÄCH. Eine Diskussionsreihe von k.west und dem NRW KULTURsekretariat.
»Games, Kunst, Digital: Perspektiven der digitalen Kultur«; 12. November, 11 Uhr, NRW Forum, Düsseldorf.
Teilnehmende:
Prof. Dr. Judith Ackermann (FH Potsdam), Edgar Bittencourt (Ubisoft Blue Byte), Prof. Dr. Linda Breitlauch (GAME Bundesverband e. V.), Dr. Christian Esch (NRW KULTURsekretariat), Denise Gühnemann (Grimme-Institut); Moderation: Max von Malotki (WDR). In Verbindung mit »Next Level – Festival for Games« / Kooperation mit WDR 3/Forum. Die Veranstaltung wird an einem der folgenden Sonntage um 19.05 Uhr ausgestrahlt.