Seit 1997 existiert das Traumzeit-Festival. Der Name sollte musikalische Fantasien heraufbeschwören. Es gab Jahre, da konnte man ihn auch anders interpretieren: als einen Wunschtraum. In diesem gab es superoffene Zuschauer, die hintereinander Reggae, Postrock und Weltmusik hören wollten, um dann zur Jazz-Bühne zu wechseln. Die »Offenheit der Kunst« würde es schon richten, so hoffte Festivalleiter Tim Isfort seinerzeit.
Das Erwachen aus diesem Traum war hart. Zuschauer und Sponsorengelder versiegten. 2012 musste das Festival im Landschaftspark Nord abgesagt werden. 2013 kehrte die Veranstaltung überraschend zurück – mit grundüberholtem Konzept. Nun ging es vor allem um Pop. Das neue Programm gefiel nicht allen. Von gekappten Wurzeln sprach mancher Kritiker. Die Zuschauer sahen die Neuausrichtung der Traumzeit ganz anders. Sie kauften doppelt so viele Tickets wie 2011. Plötzlich war wieder Leben zwischen Kraftzentrale und Gebläsehalle.
Im Juni steigt die zweite Traumzeit der neuen Ära. Mit Zaz (Frankreich), Kitty, Daisy & Lewis (England) oder Panteón Rococó (Mexiko) hat das Programm erneut internationales Format. Ansonsten besticht es durch gehobenen Pop aus Deutschland. Da wäre, zum Beispiel, der Hamburger Marcus Wiebusch. Wer seiner alten Formation Kettcar immer noch nachtrauert, kann die Tränen langsam trocknen. Solo klingt Wiebusch fast genauso wie früher. Apropos solo: Judith Holofernes von Wir sind Helden ist nun ebenfalls »Band-los« und stellt beim Traumzeit-Festival ihre eigenen Stücke vor.
Klavier-Fans kommen gleich mehrfach auf ihre Kosten. Während der Berliner Nils Frahm minimalistische Piano-Stücke mit elektronischen Elementen kreuzt, präpariert der Düsseldorfer Hauschka sein Instrument mit Wäscheklammern, Alufolie und manchmal sogar mit Tischtennis-Bällen. Glückliche Fügung am Rande: Im alten Hüttenwerk stellt er sein neues Album »Abandoned City« vor. Es handelt von verlassenen (Industrie-)Orten. Passendere Kulissen dürfte man lange suchen.
Wer Hauschka zu düster findet, wechselt zur Berliner Radau-Fraktion. Die wird einmal vertreten von den chronisch unterschätzten Mia sowie von Bonaparte, die sich musikalisch irgendwo zwischen Punk, Disco und übergeschnappter Varieté-Show bewegen.
Zu den Highlights beim Traumzeit-Festival zählt außerdem der Auftritt von The Notwist. Seit mehr als 20 Jahren gibt es die Band inzwischen. In dieser Zeit hat sich das Weilheimer Trio mehrfach verpuppt. Gestartet als Hardcore-Formation, sind The Notwist längst beim filigranen Feuilleton-Pop angekommen. In der Schnittmenge von Indie und Elektronik ist die Band inzwischen Referenzklasse – nicht nur in Deutschland.
Ganz anders geartet sind The War on Drugs. Die Band um Frontmann Adam Granduciel klingt, als hätten sich Bruce Springsteen, Bob Dylan und Tom Petty auf der Thunder Road getroffen, um Musik zu machen. Wer’s nicht glaubt, hört sich Granduciels wundervolles Album »Lost in the Dream« an. Oder, noch besser, erlebt den Auftritt beim Traumzeit Festival.
Traumzeit Festival 20. bis 22. Juni 2014, Duisburg, Landschaftspark Nord. www.traumzeit-festival.de