Im Laufe seines langen Lebens konnte sich György Ligeti nicht über fehlende Anerkennung beklagen. Für sein erstes großes Orchesterstück »Atmosphères« wurde er 1961 in der Neue-Musik-Hochburg Donaueschingen gefeiert. Später sorgte seine Musik auch bei der breiten Öffentlichkeit für Aufsehen – als Stanley Kubrick für seinen Soundtrack zu »2001: Odyssee im Weltraum« (unerlaubterweise) einige Stücke von ihm auswählte.
Für sein facettenreiches Schaffen wurde der in Siebenbürgen geborene und 2006 verstorbene Ligeti mit Auszeichnungen regelrecht überhäuft. Dennoch beklagte er immer wieder einen riesigen schwarzen Flecken auf seiner blütenweißen Karriereweste: »Ich wäre so gerne ein fabelhafter Pianist.« Ausgetobt an den schwarzen und weißen Tasten hat sich Ligeti dafür virtuos mit Solo-Stücken, die mit ihren verschachtelten Rhythmen und motorischen Sprints nur die allerfabelhaftesten Ausnahmepianisten hinlegen können. Zu ihnen gehört Pierre-Laurent Aimard. Weil der Franzose schon früh Ligetis verrücktesten Klangideen quasi mit links spielte, schrieb er für ihn nicht nur so manche Etüde. Über Aimard sagte er: »Er ist der beste Interpret meiner Klaviermusik.«
Anlässlich des 100. Geburtstags von Ligeti erinnert nun das Klavier-Festival Ruhr mit einer Konzertserie an ihn. Natürlich darf dabei auch Monsieur Aimard nicht fehlen! Immerhin drei Auftritte hat er – und dabei sind jene höllisch schweren, insgesamt 18 Etüden zu erleben, die Aimard komplett spielen wird. Zu den weiteren Gästen bei der Ligeti-Hommage gehören außerdem die vor allem auf die Moderne abonnierte Sopranistin Sarah Mara Sun, die bislang unveröffentlichte Lieder zur Uraufführung bringt, sowie das Ensemble Folkwang Modern.
Ohnesorg beendet Intendanz
Gleich drei Jahreszahlen – 1823, 1923 und 2023 – bilden beim diesjährigen Festival einen roten Faden durch das Programm. 1823 steht für den Wiener Franz Schubert, der in jenem Jahr wichtige Klavier- und Vokalwerke geschrieben hat. Ihnen widmen sich jetzt der Hammerflügel-Spezialist Jos van Immerseel sowie die Edel-Sänger Matthias Goerne und Christoph Prégardien. 1923 ist nicht nur Ligetis Geburtsjahr. Vor genau einem Jahrhundert fand die Deutschland-Premiere von Charlie Chaplins Kultstreifen »The Kid« statt – zu dem nun Helge Schneider improvisiert. Das Jahr 2023 steht erneut für großartige Pianistik aus den Händen solcher Hochkaräter wie Elisabeth Leonskja, Krystian Zimerman, Arcadi Volodos und András Schiff. Neben Jazz mit unter anderem Fred Hersch, Till Brönner und Frank Chastenier kommt zudem die zeitgenössische Musik nicht zu kurz. So kehren Dirigent Dennis Russel Davies und Pianistin Maki Namekawa mit einem brandneuen Werk des amerikanischen Minimal-Music-Gurus Philip Glass zurück – mit dem jetzt uraufgeführten Klavierkonzert, mit dem auch die Festivalausgabe ausklingt.
Mit dem Schlussakkord geht aber dann ebenfalls eine Ära zu Ende. Denn schon lange steht fest, dass Intendant Franz Xaver Ohnesorg nach fast 30 Jahren an der Spitze nach diesem Festival aufhören und das Amt an seine Nachfolgerin Katrin Zagrosek übergeben wird.
Klavier-Festival Ruhr
24. April bis 7. Juli