Zum 80. Geburtstag der berühmten belgisch-französischen Comic-Figur Lucky Luke zeigt der Dortmunder Schauraum Comic + Cartoon eine Ausstellung mit vielen Originalseiten, Merchandising und spannenden Hintergründen.
Den Comic-Cowboy Lucky Luke kennt jedes (mittlerweile wohl erwachsenes) Kind: Die Bände mit seinen Abenteuern sind nach Asterix die am besten verkaufte Comic-Serie in Deutschland. Die Originalzeichnungen seines Erfinders Maurice De Bevere alias Morris waren jedoch lange gut gehütete Geheimnisse. Es ist dem Netzwerk des Kunsthistorikers und Comic-Experten Alexander Braun zu verdanken, dass jetzt gleich drei Originale in der neuen Ausstellung im Dortmunder Schauraum: Comic + Cartoon zu sehen sind. »Lucky Luke 80« heißt sie, weil sie in den 80. Geburtstag des Cowboys reinfeiert, der 1946 zum ersten Mal durch den Wilden Westen ritt.
Dass die Ausstellung von drei Originalzeichnungen von Morris einer Sensation gleicht, liegt daran, dass der Zeichner zu Lebzeiten keine einzige davon verkaufte. Seine Witwe behielt diese Praxis bei – und erst seit ihrem Tod bringt die Erbengemeinschaft kleine Stückzahlen in Umlauf. Alexander Braun konnte sie aus privaten Sammlungen leihen und jetzt sind sie Höhepunkte der neuen Schau, die er mit Sophie Gloe kuratiert hat. Es ist jeweils eine Seite aus drei Abenteuern des goldenen Zeitalters Lucky Lukes – aus den Bänden »Auf nach Oklahoma!« (1958), »Goldrausch« (1963) und »Jesse James« (1969). Genau wie Uderzo für seine Asterix-Bände arbeitet Morris bis zu seinem viel zu frühen Tod 1977 mit dem genialen Texter Goscinny zusammen.
Ritt in den Sonnenuntergang
Morris und Goscinny hatten sich in den USA kennengelernt, in denen Morris von 1948 bis 1955 gelebt hat. Er war damals seinem Vorbild, dem belgischen Zeichner Jijé gefolgt, der aus Angst vor dem Kalten Krieg und einem Atomschlag aus Europa auswandern wollte. Mit auf das Amerika-Abenteuer ging auch der Zeichner Franquin, der später das Marsupilami erfand und es Spirou und Fantasio als Freund und Helfer zur Seite stellte. Die USA-Reise der drei Comic-Legenden ist vor einigen Jahren selbst zu einem genialen Comic-Band geworden: »Gringos Locos« heißt er – kommt in der Dortmunder Ausstellung allerdings nicht vor. Hier informiert eine Wandtafel über die Reise: »Am längsten blieb schließlich Morris in den USA (bis 1955), recherchierte die historischen Fakten des Wilden Westens und lernte in New York die Zeichner des frisch gegründeten MAD-Magazins kennen sowie einen Exil-Franzosen in New York: René Goscinny!«
Mit Goscinny erzählte er Geschichten, die meistens irgendwo in historischen Fakten ankern: In »Auf nach Oklahoma« ist es der sogenannte »Cherokee Strip« vom 16. September 1893 mit 100.000 beteiligten Siedlern: Die US-Regierung gab damals ein neues Territorium zur Besiedlung frei und beim Schuss einer Kanone stürmten abertausende Siedler los, um sich auf dem Territorium des heutigen Oklahoma ein Stück Land abzustecken und es gegen die Mitbewerber zu verteidigen. Mittendrin versucht Lucky Luke für Ordnung zu sorgen, dessen Charakter Morris damals schon gut ausgefeilt hatte: Er ist ein unbestechlicher Freund und Helfer für alle Menschen in Not, steht immer auf der Seite der Gerechtigkeit, kann nie einen Auftrag ausschlagen, wenn er die Notwendigkeit erkennt. Am Ende jedes Abenteuers reitet er in den Sonnenuntergang und singt, dass er ein armer, einsamer Cowboy ist und einen langen Weg nach Hause hat.
Wirklich einsam ist er allerdings nicht, weil ja sein Pferd Jolly Jumper stets bei ihm ist, die einzige Beziehung von Dauer in seinem Leben. Nicht nur, weil Jolly Jumper ungemein auf Zack ist, sich auch selbst satteln und unvorhergesehen Ereignisse vorhersehen kann, ist Lucky Luke quasi unbesiegbar. Er ist es vor allem, weil er den Colt schneller ziehen kann als sein Schatten. In der Dortmunder Ausstellung ist ein Nachbau des »Single Action Army« Colts zu sehen, den der Cowboy benutzt. »Er ist überraschend schwer«, sagt Kuratorin Sopia Gloe, »man kann sich kaum vorstellen, damit den ganzen Tag herumzureiten«.
Der erste Raum im Schauraum: Comic + Cartoon ist ganz den Originalzeichnungen von Morris und Achdé gewidmet, der die Serie nach dem Tod des Erfinders beim Dachdecken an seinem Haus in Brüssel 2001 übernommen hat. Auf Morris‘ Seiten sieht man die Spuren seiner Arbeit: Anmerkungen, Tesa-Streifen. Weil in den Bilderrahmen naturgemäß nur die Vorderseiten zu sehen sind, zeigen Kopien die Rückseiten, auf denen Morris die kolorierten Versionen aufgetragen hat. »Bei seinem Nachfolger Achdé ist zu erkennen, dass er auch Hintergründe sehr detailreich zeichnete, als er die Serie übernommen hat. Mit der Zeit ist das weniger geworden«, erklärt Sophia Gloe beim Ausstellungsrundgang.

Der französische Zeichner Achdé sorgt bis heute für neue Bände. Einige hat er selbst getextet, für andere hat er mit wechselnden Textern zusammengearbeitet. Ähnlich wie bei Asterix, wo sich mit dem Zeichner Didier Conrad und dem Texter Fabcaro ein Team gefunden hat, dass die Serie kongenial fortführt und auch gute Kritiken erhält, ist es bei Lucky Luke das Duo aus Achdé und dem französischen Texter Jul, das für viele Leser*innen an alte Größe heranreicht – auch wenn sich die Comic-Welt einig ist, dass der hintergründige Wortwitz Goscinnys bei beiden Serien unerreicht ist. Trotzdem konnten die Lucky-Luke-Bände »Das gelobte Land«, das von jüdischen Einwanderern in den USA erzählt, und »Ein Cowboy in Paris«, wo der Held tatsächlich nach Europa reist, viel Lob und ein großes Presse-Echo einheimsen. In der Ausstellung gibt es Originalseiten und Hintergrundgeschichten zu ihnen.
Der zweite Raum ist Merchandising und Hommagen gewidmet. Mittlerweile gibt es sechs in Deutschland erschienene Bände, in denen sich andere Zeichner und Texter mit ihrem Stil dem Cowboy annähern. In die Ausstellung gefunden haben Seiten aus der ersten, »Der Mann, der Lucky Luke erschoss« von Matthieu Bonhomme. Auch wenn Lucky Luke darin nicht wirklich stirbt, ist der Comic doch ungewöhnlich düster und ernst. Ganz anders die grandiose zweite Ausgabe der Hommagen, »Jolly Jumper antwortet nicht« von Guillaume Bouzard, dem damit einer der witzigsten Bände der Reihe überhaupt gelungen ist: Er nimmt die Beziehung des Cowboys zu seinem Pferd unter die Lupe, die hier zum ersten Mal in eine nachhaltige Krise geraten zu sein scheint. Schließlich ändert der Cowboy sogar seinen Look und zieht statt einem gelben Hemd und einem roten Halstuch ein rotes Hemd und ein gelbes Halstuch an – und wird prompt selbst von langjährigen Weggefährten nicht mehr erkannt.
Auch der bekannte deutsche Comiczeichner Ralf König (»Der bewegte Mann«) bekam die Ehre, eine Hommage zu zeichnen und zu texten: In »Zarter Schmelz« kommt ein Chocolatier aus der Schweiz mit lila Kühen in den Wilden Westen, um die Neue Welt vom Geschmack des »braunen süßen Goldes« zu überzeugen. Königs Comic ist auch eine Hommage an den Film »Brokeback Mountain« über die Liebe zwischen zwei Cowboys – aber natürlich ist es nicht Lucky Luke selbst, der plötzlich homosexuell wird. Er bleibt sich treu – und quasi abstinent.
Ralf König ist auch Teil des tollen Rahmenprogramms, das die Dortmunder Ausstellungsmacher organisiert haben: Am 26. März kommt er für eine Comic-Lesung ins Kino im Dortmunder U. Vorher sind schon der deutsche Übersetzer Klaus Jöken und Mawil zu Gast, der die Hommage »Lucky Luke sattelt um« gestaltet hat. Mawil gibt am 24. Januar sogar einen Comic-Workshop in Dortmund. Dass es mit ihm und Ralf König gleich zwei deutsche Zeichner gibt, die eine Hommage herausbringen durften, zeigt, wir populär die Figur hierzulande ist. Der Schau wird das sicher viele Besucher*innen einbringen.
»LUCKY LUKE 80«, BIS 6. APRIL 2026
SCHAURAUM: COMIC + CARTOON, DORTMUND



