Das Bachfest macht Station in Münster. Unter dem Motto »Bach inspiriert« schlagen illustre Gäste wie Dirigent Ton Koopman den Bogen vom Orgel- und Kantatenkomponisten bis zur zeitgenössischen Bach-Hommage.
Was muss das für ein wärmendes Erlebnis für die Seele und die Sinne gewesen sein. Als vor 300 Jahren die Gemeinde im lausigen Kirchenraum der Weimarer Hofkapelle saß – und man plötzlich herrlichste Musik vernahm. Von ganz oben! Aus einem viele Meter großen Schall-Loch, das man aus der Decke geschnitten hatte, schwebten da innigste Kantatengesänge oder strahlendste Orgelklänge nach unten. Musik – wie von Gott gesandt. Angesichts dieser Raumklangwirkungen wurde die Kapelle auch als »Himmelsburg« bezeichnet. Auf ihr wirkte Johann Sebastian Bach zwischen 1708 und 1717 als Organist und Dirigent. 1774 sollte sie bei einem Schlossbrand zerstört werden. Doch dank historischer Bauzeichnungen und modernster Virtual-Reality-Technik wurde sie so rekonstruiert, dass man mit VR-Brille und Kopfhörern durch die ehemalige Wirkungsstätte Bachs gehen und die dort entstandene Musik hören kann. Diese Zeitreise macht jetzt ein umfunktionierter Überseecontainer möglich. Er steht ab 17. Mai auf dem Münsteraner Lambertikirchplatz und ist damit das allererste Highlight des Bachfests, das in diesem Jahr in der westfälischen Metropole stattfindet.
Zehn Tage lang heißt es »Bach inspiriert«. Quer durch das Stadtgebiet erklingen in Kirchen, im schmucken Erbdrostenhof, aber auch im Theater sowie im Dom zumeist geistliche und weltliche Werke jenes Barockkomponisten, den Kollege Max Reger einmal ehrfürchtig als »Anfang und Ende aller Musik« bezeichnet hat.
Zum 98. Mal findet das von der Neuen Bachgesellschaft mitausgerichtete Fest statt. Bereits im Vorfeld gibt es unter dem Titel »Basso continuo« einen umfangreichen Klangparcours. In rund 60 Konzerten bespielen regionale Chöre und Ensembles das Münsterland. So kommt etwa Bachs »Matthäus-Passion« in Greven in einer selten zu erlebenden, romantischen Orchestrierung zur Aufführung. Auch beim Bachfest widmet man sich von der intimen Kammermusik bis zum großen Chorwerk dem Namenspatron. Doch ein Fokus liegt auf dem Komponisten als unerschöpflicher Inspirationsquell. So hat Stefan Heucke als »Composer in Residence« nicht nur eine neue »Markuspassion« komponiert, sondern für sein Oratorium »Pfingstfeuer« auf Bach-Werke zurückgegriffen. In bester Jacques-»Play Bach«-Loussier-Tradition wird Bach im »Hot Jazz Club« mit Blue Notes koloriert. Beim Projekt »Bach reLoaded« treffen Urban Dancers auf einen DJ.
Bach nicht nur jenseits der stilistischen, sondern auch der geographischen Grenzen bildet dank des Gastlandes Niederlande einen weiteren Schwerpunkt. Die geschichtlichen Banden zwischen dem Nachbarn und Münster spiegeln sich in der Oper »J. S. Bach – Die Apokalypse« wider, präsentiert von der Nederlandse Bachvereniging. Zu weiteren namhaften Gästen des Festival-Kapitels »Bach. Oranje« gehören die exquisite Cappella Amsterdam unter Daniel Reuss (Motetten), das Kammerorchester Holland Baroque mit Orgel-Bearbeitungen sowie der Dirigent, Cembalist, Organist und Alte-Musik-Star Ton Koopman. Mit seinem Amsterdam Baroque Orchestra kombiniert er »Brandenburgische Konzerte« mit so mancher Orchestersuite. »Bach steht für diese einzigartige Balance aus Können, Wissen und Gefühl«, hat Koopman einmal im Gespräch erläutert. ».Wir können nur darüber staunen, wie es ein Mensch geschafft hat, so viele tiefe Gedanken aufs Notenpapier zu schreiben.« Dass der inzwischen auch schon 79-Jährige nach einem so langen Leben mit Bach das Staunen nicht verlernt hat, hört man ihm einmal mehr an.
Bach inspiriert
Bachfest 2024 Münster
17. bis 26. Mai
Vorprogramm
Basso continuo
im Münsterland und in Münster
10. März bis 25. Mai 2024