Von Düsseldorf bis Unna: Stefanie Stadel gibt Ausstellungsempfehlungen für den Sommer. Und darüber hinaus.
DÜSSELDORF
BRUNHILDE MOLL STIFTUNG: »VERA LAROS«
Leuchtendes Blau, Knallrot, Giftgrün und Neongelb. Viele starke Farben sind im Spiel und allerhand schräge Figuren, winzig klein oder bildfüllend. Liegend, kriechend, schwebend, stürzend, übergroß die Hände und Füße. Mit starken Gesten und eigenwilligen Ideen breitet Vera Laros (1967–2018) ihre Welt auf der Leinwand aus. In nicht einmal zehn Jahren hat sie rund 2000 Arbeiten geschaffen. 25 Gemälde und mehrere Skizzenbücher geben in der Brunhilde Moll Stiftung nun einen Einblick in das bisher kaum bekannte Werk der früh verstorbenen Düsseldorfer Künstlerin und Tochter der Stifterin. Es ist die zweite Ausstellung im einstigen Wohnhaus von Joseph Beuys am Drakeplatz 4. Zu sehen sind dort auch einige Zeichnungen, Skizzen und dynamische Aquarelle, die bei Breakdance-Battles entstanden sein könnten – im Tanz bewegte Menschen zählten zu Laros‘ liebsten Motiven. Ruhe kehrt dagegen ein in ihren Bildnissen, darunter auch große, flächige, kraftvolle Selbstporträts. Sie zeigen eine Suchende. In einem ihrer Skizzenbücher notierte Vera Laros: »Das Malen gleicht einer Suche. Einer Hetzjagd. Das Gebiet ist die Leinwand. Aber wo haben ›sie‹ sich versteckt? Wo finde ich ›sie‹? Die Erkenntnisse. Die Oh’s. Die Weh’s. Finde ich ›es‹ oder auch ›sie‹ überhaupt? Ich kämpfe gegen etwas Unsichtbares, Unfassbares an. Aber ich werde es finden.«
Bis 27. Juli

ESSEN
MUSEUM FOLKWANG: »PAULA REGO. THE PERSONAL AND THE POLITICAL«
Was ist da los, was ist passiert? So fragt man sich mit Blick auf diese Bilder. Und manchmal auch: Wer quält da wen? Unbehagen macht sich breit und gleichzeitig eine gewisse Neugier. Doch wer eindeutige Antworten sucht, wird enttäuscht, denn die gibt es nicht bei Paula Rego (1935-2022). Klar jedoch scheint, dass es in vielen ihrer rätselhaften und zugleich fesselnden Figurenbilder um Machtstrukturen geht, um Geschlechterrollen, um die Unterdrückung von Frauen. »The Personal ist Political«, diesen Untertitel wählt die Retrospektive im Museum Folkwang, weil sie zeigen kann, dass die portugiesisch-britische Künstlerin ihr Schaffen als politisches Instrument verstand. Von Anfang an. »The Interrogation«, »Das Verhör«, heißt etwa ein frühes Gemälde, in dem sie schon mit 15 Jahren eindrücklich Folter und Gewalt thematisiert. Auch wenn Paula Rego die längste Zeit ihres Lebens in England verbrachte, reagiert sie mit ihren Arbeiten immer wieder auf die politische Situation in ihrer portugiesischen Heimat, wo bis 1974 Diktatur herrschte. Ende der 1990er-Jahre führte die Auseinandersetzung zur »Abortion«-Serie – Portugal hatte kurz zuvor in einem Referendum gegen eine Lockerung des Abtreibungsgesetzes gestimmt. Mit rund 130 Werken überblickt die Essener Schau das Œuvre der Künstlerin, die erst seit ihrem Auftritt bei der Venedig Biennale 2022 auch international große Aufmerksamkeit findet.
Bis 7. September
HAGEN
OSTHAUS MUSEUM: »VON RENOIR BIS WARHOL«
Das ganze Team ist auf Erkundungstour durch die Depots gegangen. Denn neben den wohlbekannten Meisterwerken »von Renoir bis Warhol« will die neue Sammlungsschau im Osthaus Museum auch selten oder nie gesehene Schätze heben. Und so führt der Parcours vom Impressionismus und Expressionismus über Magischen Realismus und Konstruktivismus zu Werken der Bauhaus-Meister und weiter zu den lange nicht gezeigten Arbeiten des Informel und der Op Art. Um auch die reiche Skulpturensammlung präsentieren zu können, wird eigens für die Ausstellung ein Schaudepot geöffnet. Und einen besonderen Gruß an den Museumsgründer schickt die Schau mit Blick auf die Schmetterlingskollektion, mit der die Sammlung von Karl Ernst Osthaus (1874-1921) einst ihren Anfang genommen hatte.
Bis 12. Oktober
KREFELD
KAISER WILHELM MUSEUM: »ADOLF LUTHER. SEHEN IST SCHÖN«
Nicht als Künstler, sondern als Jurist hatte er seine Laufbahn begonnen. Lange war Adolf Luther (1912-1990 ) Richter in Krefeld und malte nur abends und am Wochenende. Zunächst nach Art der Impressionisten, später inspiriert von diversen anderen Strömungen. Mit Mitte vierzig erst fasste er sich ein Herz, kündigte seinen Posten bei Gericht und verfolgte seither systematisch sein Ziel: weg vom Bild, hin zum Licht, das er nicht darstellen, sondern gelöst von der Materie in seine Kunst bringen wollte. Luther versuchte es kurz mit monochromen Gemälden, indem er die selbst gemixte schwarze Farbe per Spachtel so dick auftrug, dass sie Schatten warf und das Licht reflektierte. Um 1960 griff er dann nach recht rabiaten Mitteln, um seine Kunst voranzubringen – mit der Axt zerschlug er Flaschen. Offenbar ein großes Erlebnis für ihn: »Ich sehe das Licht für eine Sekunde, jedes Mal, bei jeder Flasche, es ist grandios.« In der Folge entstanden Objekte, bei denen er schlichte Scherben zwischen zwei Scheiben füllte und das Licht hindurchfallen ließ. Mit vorgefertigten Brillengläsern, Glaskugeln, Rasierspiegeln und Reagenzgläsern dachte Luther die Idee weiter und setzte etwas später Spezialanfertigungen aus Glas oder Plexiglas ein. Dabei wurde der Hohlspiegel zum Liebling des Künstlers. Die Schau im Kaiser Wilhelm Museum in Luthers Heimatstadt beleuchtet seinen künstlerischen Weg und stützt sich dabei hauptsächlich auf Werke aus der Adolf-Luther-Stiftung.
Bis 21. September
METTINGEN
DRAIFLESSEN COLLECTION: »VERWURZELT UND VERZWEIGT«
Der Titel lässt an Blumen, Büsche, Bäume denken, doch das wäre viel zu einfach. Die Ausstellung erweitert ihr Thema weit über die Vegetation hinaus, macht Wurzeln und Äste zu einem Bild der Welt und des Menschen. Was bedeuten Verwurzelung und Verzweigung in unserem Leben? Fragen wie dieser nähert sich die Draiflessen Collection mit Werken von sechs zeitgenössischen Künstler*innen oder Duos, die diversen Verflechtungen nachgehen – mit unserer Umgebung, mit anderen Menschen, mit der Vergangenheit. Eine Art von Naturverbundenheit bringen etwa Karoline Hjorth und Riitta Ikonen in ihrer Fotoserie zum Ausdruck, wenn sie Menschen in Blätter, Äste, Pilze kleiden, ins Wasser stellen oder in einen Misthaufen stecken. Komplexere Verflechtungen beschreibt Krištof Kintera in einer raumfüllenden Landschaft, wo organische, urbane und technische Elemente zusammenhängen – überall Drähte und Kabel, die sich mit Glühbirnen oder Computerteilen zu Blumen und Bäumen fügen. Während symmetrisch angeordnete elektronische Bauteile an städtische Verkehrsnetze oder Baupläne erinnern.
Bis 17. August
UNNA
ZENTRUM FÜR INTERNATIONALE LICHTKUNST: »LIGHT-LAND-SCAPES«
In den finsteren Brauereikellern des Zentrums für internationale Lichtkunst tun sich neue, eigens für diesen Ort entwickelte Lichtlandschaften auf – man kann sich hindurchbewegen wie bei einem nächtlichen Spaziergang. Andreas Schmid aus Berlin installiert dort eine Szenerie aus pulsierenden Leuchtstoffröhren. Die koreanische Künstlerin Jeongmoon Choi nutzt fluoreszierende Fäden für ihre Lichtzeichnungen im Raum. Das Zusammenwirken von Licht und Dunkelheit macht die in Köln lebende Bulgarin Yoana Tuzharova zum Ausgangspunkt für ihre Licht- und Farblandschaft Penumbra. Im größten unterirdischen Saal schließlich installiert das Atelier Rosalie / Thomas Jürgens aus Stuttgart zwischen sieben Meter hohen Pfeilern ein digitales Flussbild aus Lichtpaneelen, das sich wie ein vielfarbiges Gewässer durch den Raum zieht.
Bis 4. Januar 2026