»Soirée Ravel«: Das Ballett am Rhein feiert den französischen Komponisten zum 150. Geburtstag.
Maurice Ravel war ein Einzelgänger, ein Sonderling, stets übertrieben sorgfältig gekleidet. Sein Haus in der Nähe von Paris glich einer Puppenstube. Die Zartheit seiner Seele offenbart sich in der Musik des großen Komponisten, etwa in den flirrenden, sanften Wellenbewegungen des Flötenspiels und dem hellen Vogelzwitschern in dem Ballett »Daphnis et Chloé«. Aber auch hart rhythmische, fast jaulende Klangwunder wie in »Boléro« hat der Franzose (1875-1937) komponiert. Zum 150. Geburtstag des Impressionisten lädt das Ballett am Rhein zu einer »Soirée Ravel« mit vier Uraufführungen in die Oper Duisburg. Chefchoreografin Bridget Breiner gestaltet den Abend gemeinsam mit ihrem US-Kollegen Richard Siegal.
Vermutlich muss man Siegal heißen, um auf die Idee zu kommen, »Boléro« (Soundinstallation: Lorenzo Bianchi Hoesch) auf einem Laufband zu choreografieren – die starre Melodieschleife findet hier ihre geniale Entsprechung. Die kontinuierliche Steigerung durch die wachsende Zahl der Instrumente und Klangfarben drückt sich aus in der Dynamik des menschlichen Miteinanders. Das im Bühnenboden integrierte Laufband macht aus jeder Aktion eine spielerische, oft absurde Sequenz – eine großartige Show.
Stilles Glück
Das Kontrastprogramm dazu liefert Bridget Breiners Ballett »Daphnis et Chloé«. Die Amerikanerin breitet die Welt der Antike für Ravels Hauptwerk aus: Der Liebesroman des griechischen Dichters Longos erzählt die Geschichte von zwei Findelkindern, die Schafe hüten. Sie verlieben sich, ohne ihre Gefühle zu verstehen. Breiner wählt für ihre Naturidylle Ravels schwelgerische, teils dramatische Orchestersuiten eins und zwei. Es entspinnt sich eine federleichte Choreografie um die Liebe und ihre Turbulenzen. Übermut, Verführung, Gewalt, auch Ängste brechen sich Bahn. Genauso entstehen jedoch auch ruhige, stimmige Sequenzen, so zwischen dem anrührenden Paar Nami Ito und Skyler Maxey-Wert. Breiner gelingen Szenen von stillem Glück und großer Sensibilität.
Der erste, schwächere Teil des Abends ist geprägt von der Tragik des Ersten Weltkriegs. Schon der Titel »Klavierkonzert für die linke Hand« (1930) verweist auf einen Hintergrund voller Gewalt. Denn Ravel komponierte das Stück für den Pianisten Paul Wittgenstein, der im Krieg seinen rechten Arm verlor. Breiners Choreografie zu der anfangs düster-dramatischen Virtuosität lässt Frauen und Männer in präziser Neoklassik aufeinandertreffen. Der Anblick der Pianistin Alina Bercu, die ausschließlich mit der linken Hand – umso kraftvoller – in die Tasten schlägt, hat etwas Bedrückendes.
In einen Dialog tritt das Kurzballett mit Siegals anschließender Kreation zu »La Valse« (1920). Die Groteske lässt sofort an Kurt Jooss‘ legendäres Anti-Kriegsballett »Der grüne Tisch« denken. Siegals teils pantomimisches Tanztheater gipfelt in einem Eklat zwischen zwei Macht-Männern. Die Kriegsgefahr – will uns Siegal offenbar sagen – ist wieder da.
Die »Soirée Ravel« wirkt trotz der vier Werke nicht erdrückend. Was an der dramaturgisch feinen Komposition und der Vielseitigkeit des Programms liegt. Großartig: das facettenreiche Spiel der Duisburger Philharmoniker unter der Leitung von Katharina Müllner.
11. UND 13. JULI, OPER DUISBURG; AB 12. SEPTEMBER OPER DÜSSELDORF