Modulare Synthesizer, Soundscapes und Floppy Disks – das alles gibt es beim Festival »Blaues Rauschen« auf die Ohren, wenn ab 23. Mai künstlerische Fragen zu Künstlicher Intelligenz an zwölf Festivalorten im Ruhrgebiet verhandelt werden.
Wie ein Geigerzähler am Schnittpunkt von Technik und Kunst zeigt das Festival Blaues Rauschen den aktuellen Stand der elektronisch klingenden Materie an und vereint internationale Kunstschaffende. Im Fokus der siebten Ausgabe steht der künstlerische Umgang mit KI-generierten Musikwelten: Wie positionieren sich Künstler*innen darin? Kann eine auf KI basierende Künstlerschaft überhaupt selbstbestimmt sein? An der Weggabelung von KI und partizipativer Musik stehen zum Beispiel die griechische Komponistin Artemi-Maria Gioti und der Bassklarinettist Eckard Koltermann, die mit ihrem Stück »BIAS II« die musikalische Autorschaft in Bezug auf Mensch und Maschine hinterfragen.
Der Amsterdamer Fedde ten Berge gibt mit »Easy« einen Einblick in seine Soundinstallationen und stellt selbstproduzierte Instrumente wie die »Thrice Truncated Triangle« vor, mit denen er ein Club-Set performt. Was auf dem Papier manchmal abstrakt wirken mag, steht für eine ganze subkulturelle Strömung, die sich ständig verändert, schwer fassbar und vielleicht gerade deshalb faszinierend ist. Karl-Heinz Blomann, der künstlerische Leiter, hat das Festival unter das Motto »Durch Kunst die Köpfe öffnen« gestellt. Damit betont er einen intuitiven Zugang zur elektronischen Musik, der keine Voraussetzungen außer Offenheit erfordert, und explizit zu Neugier einlädt. Doch natürlich sind auch Formen der elektronischen Musik durch Games oder Filme bereits fest im Mainstream angekommen. Mit der Filmmusikproduzentin Panic Girl dürfte genau dies der Fall sein. Unter den Sammelbegriff Electronica fasst die Komponistin und Tontechnikerin ihren cineastischen Klang, der den Netflix-Sci-Fi-Thriller »Paradise« vertont und beim Blauen Rauschen unter »Basalt Echoes« zu hören ist.
Akustische Naturerkundung
Im Programm, das zwischen modularen Synthesizern, Glitches und vielen weiteren Tools changiert, sind auch die Spannungen und Widersprüche unserer digitalisierten Welt eingespeist. Wie sollten wir mit Technik-Euphorie, gesellschaftlicher Verunsicherung und globalen Krisen umgehen? Sogenannte »Satelliten-Veranstaltungen« greifen in gemeinschaftlichen Klangkunstprojekten ganz konkret das Thema Umwelt auf, beschäftigen sich in »cycle and recycle« mit Kreislaufwirtschaft oder erkunden in »Wald und Klang« akustisch die Natur mit Soundart und Klangcollagen.
Das formulierte Ziel: Räume schaffen für »Widerstand und Visionen«, mal in einem Park, im alternativen Club oder anhand von digitalen Schauplätzen. Das »Blaue Rauschen« hat sich als Instanz für elektronische Musik im Ruhrgebiet stetig erweitert. Dieses Jahr sind mit Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Herne und Mülheim erstmalig sieben Städte involviert. Die zwölf übers Ruhrgebiet verstreuten Festivallocations reichen vom gemütlichen Soziokulturzentrum »Hier ist nicht da« bis hin zum RWE Pavillon der Essener Philharmonie am letzten Festivaltag. Neben den Kunstacts gibt es mit einer »Lecture und Talk«-Reihe auch Zeit zur reflexiven Beschäftigung und Partizipation. Mit einem Einblick in die Arbeit der Künstlerin Portrait XO, die bereits zum zweiten Mal dabei ist, dreht sich alles um computergestützte Kreativität. Beim Workshop »Data Ethics and Creative Practice« sollen unter ihrer Leitung die Teilnehmenden in drei Tagen die Selbstbestimmung über digitale Daten erforschen und sich fragen, inwiefern diese als gemeinschaftliches Werkzeug nutzbar sind.
23. Mai bis 7. Juni
An verschiedenen Orten in Bochum, Essen, Dortmund, Herne, Mülheim,
Duisburg und Gelsenkirchen