Ab Mitte September ist selbst der Mond über der Zeche Zollverein virtuell. Das, was von weitem ein verspätetes Schachtzeichen sein könnte, das sich 2010 verflogen und jetzt nach Hause gefunden hat, ist die Lichtinstallation »Another Moon« von Kimchi and Chips. Während des Festivals »NEW NOW« zeichnet das koreanisch-britische Duo mit 40 solargespeisten Laserprojektoren den virtuellen Himmelskörper in die Nacht über dem Doppelbock. Sechs Jahre haben sie daran gearbeitet; die Weltpremiere in Essen soll symbolisch das Ende der Steinkohle-Ära zelebrieren.
»Industriekultur trifft auf digitale Künste« – so charakterisieren die Stiftung Zollverein und die Initiative »Neue Künste Ruhr« ihr Festival. Gestartet ist »NEW NOW« bereits Ende August mit dem Einzug der Residenzkünstler*innen, die bis zum 17. September auf dem Gelände arbeiten und zu Workshops und Performances einladen. Ab dann zeigt eine Ausstellung bis Anfang Oktober die Ergebnisse in der betonbrutalistischen Herrlichkeit der Mischanlage der Kokerei Zollverein.
Viele der Positionen beschäftigen sich mit dem postindustriellen Erbe der Region. Joanie Lemerciers Werkreihe »Slow Violence – The Hambach Forest and the Technological Sublime« erkundet die Auswirkungen des Übertagebaus auf den angrenzenden Forst. Das »Studio Above&Below« entwickelt aus Vermessungsdaten der Ruhr virtuelle Skulpturen, und das VR-Studio »Marshmallow Laser Feast« zeigt in seiner Arbeit »Treehugger: Wawona« das Innenleben des weltweit größten Baums.
Der britische Komponist Matthew Herbert sammelt zusammen mit dem Essener Projekt »Stone Techno« neue Klänge unter Tage und bringt die Sounds der Gesteine an die Oberfläche. Bei der »Immersive Sound Night« (17.9.) wird die Mischanlage, in Kooperation mit dem Festival »Mutek Montréal«, live mit experimentellen, elektronischen Klängen und Visuals bespielt. Und wie es sich für ein Festival für digitale Künste gehört, kann man »NEW NOW« auch virtuell besuchen – über die Plattform »ZECHE« des Medienkünstlers Christian Mio Loclair. Ein postapokalyptischer Dschungel in Computerspielästhetik, der die historischen Gebäude Zollvereins überwächst und zu wuchert. Wenn auch ohne digitalen Mond.
Ausstellung: 18. September bis 3. Oktober 2021