Es gibt sie massenhaft in allen größeren Städten: Haltestellen. Egal ob für Busse oder Straßenbahnen, prägen sie den urbanen Raum. Den Wartenden müssen sie Schutz vor Wetter bieten, eine Sitzmöglichkeit und die nötige Information. Dazu einen Mülleimer und Aschenbecher, vielleicht noch einen Fahrkartenautomaten. Alles möglichst nicht anfällig für Vandalismus und so, dass es nur nicht zum temporären Heim für Obdachlose wird. So omnipräsent Haltestellen auch sind, bieten sie dem Architekten und Designer eher wenig Entfaltungsmöglichkeiten. Ausnahmen bestätigen auch dabei die Regel: Saša Mächtig etwa wurde nicht nur durch seinen modularen Kiosk »K67« zur Designlegende, sondern auch durch sein Wartehäuschen »Euromodul«.
Haltestelle Rheinstraße in Krefeld
Wenn sich das Geltungsbedürfnis eines Architekten Bahn bricht, so meist in Form eines expressiv geformten Daches, das gerne auch durch pure Höhe beeindruckt. Wie ein eben gelandetes UFO oder eine Salatschüssel auf Beinen sieht die auffällige Konstruktion an der Haltestelle Rheinstraße in Krefeld aus. Eindrucksvolle 125 Meter überspannt eine sich bauchig nach unten wölbende Konstruktion aus in einen Edelstahlrahmen eingeklebten Glasscheiben. Der äußere Rand dient auch als Befestigung für die Oberleitungen, so dass keine zusätzlichen Träger notwendig sind. Ein umlaufendes grünes LED-Band unterstützt den futuristischen Eindruck. Das ist auch schon das Beste, das sich über den Entwurf von Stefan Schmitz Architekten und Stadtplaner aus Köln sagen lässt. Ansonsten überwiegen konstruktive Fehler: Das Dach ist zu hoch, um seine wichtigste und einzige Funktion erfüllen zu können. Vor Regen schützt es nur bei kompletter Windstille, vor Sonne ohnehin nicht, da es komplett aus Glas ist. Durch die Schüsselform mit Abfluss in der Mitte sammelt sich jede Menge Schmutz in der Dachmulde. Und Vandalismus braucht es gar nicht, da die äußerst aufwendig gebogenen Sicherheitsscheiben auch einfach mal von alleine springen. Die Ursache? Auch fünf Jahre nach Fertigstellung ungeklärt. In den mit Baustellenzäunen gesicherten Bereichen unter den kaputten Scheiben sprießt bereits das Unkraut aus den Pflasterfugen. Vielleicht freuen sich darüber wenigstens die Insekten der Stadt.
Haltestelle Ebertstraße in Gelsenkirchen
Gerade fertig geworden ist die Haltestelle an der Ebertstraße in Gelsenkirchen. Die Neugestaltung des gesamten Areals übernahm die Arbos Freiraumplanung GmbH, die Haltestellenüberdachung wurde von Petersen, Pörksen, Partner Architekten geplant, beide aus Hamburg. Nicht nur sprichwörtliche hanseatische Zurückhaltung, sondern vor allem der Respekt vor den zwei Architekturikonen, die sich an der rund 300 Meter langen Achse gegenüberstehen, bestimmt den Entwurf. Es galt zwischen der dunklen Backsteinfassade des Hans-Sachs-Hauses von Alfred Fischer aus den 1920er Jahren und der strahlend weiß gerahmten Glasfassade des Musiktheaters von Werner Ruhnau von 1959 zu vermitteln. An letzterem orientieren sich auch die Haltestellenüberdachungen. Bewusst niedrig gehalten, müssen sie keine große Fläche überbauen, um wirksam vor der Witterung zu schützen. Die Blickachse auf das Opernhaus bleibt weitestgehend unbeeinträchtigt, zumal sich die klare, rechtwinklige Gestaltung der Dächer, die Stahlsäulen und die weiße Verkleidung aus eloxiertem Aluminium auf dessen Ästhetik beziehen. Die Begrünung der Dächer schafft eine Verbindung zu der Platzgestaltung. Bleibt nur zu hoffen, dass nun auch noch die dunkle, wuchtige Überdachung des Unterführungsabgangs auf der Seite des Musiktheaters durch ein neues Dach ersetzt wird.