Wenn der Adel baut, dann steckt meist das Bedürfnis nach Repräsentation dahinter, man will zeigen, wer man ist und was man hat. Das Edelste aber ist, nicht nur Schlösser und Paläste zu errichten, sondern sich durch Förderung von Kultur und deren Bauten in die Geschichte einzuschreiben.
So war es immer, und so ist es auch dann noch, wenn der Adel nicht von Abstammung herrührt, sondern vom Aufbau großer Unternehmen. Auch der schnöde Geldadel verleiht sich durch Kulturbauten höhere Weihen und ein kleines bisschen Unsterblichkeit. Auf Schokolade gründeten Peter und Irene Ludwig ihre Sammlung und ihren Platz in der Stadt Köln gleich neben dem nur unwesentlich berühmteren Dom. Doch auch andernorts in NRW haben Industrielle mit Kulturbauten Denkmale gesetzt: Bielefeld wurde in großen Teilen auf Pudding gegründet. Die Rudolf-Oetker-Halle ist laut Wilhelm Lamping, dem ehemaligen Leiter des Bielefelder Musikvereins, sogar wortwörtlich »gedacht (…) als Ehrenmal zum Gedächtnis an Rudolf Oetker«.
1930 wurde der Konzertsaal fertiggestellt nach Plänen der Düsseldorfer Architekten Hans Tietmann und Karl Haake, die einen 1927 ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen hatten. Der Namensgeber Rudolf Oetker, Sohn des Firmengründers, war bereits 1916 im Ersten Weltkrieg gefallen. So war es ausdrücklicher Wunsch der Mutter Lina Oetker, dass die Konzerthalle den Charakter eines Ehrenmals für ihren Sohn haben sollte. Die Fassade prägen schmale hohe Rundbögen, die genau diese Feierlichkeit ausstrahlen, aber gleichzeitig in einem interessanten Kontrast zu der massigen Kubatur des Baukörpers stehen. Der monumentale Bau erhält durch dieses Detail, wie durch die asymmetrischen Vordächer, eine Eleganz, die den Entwurf stilistisch in den Bereich des Neuen Bauens rückt. Der große Saal mit rund 1.400 Plätzen gehört zu den akustisch herausragenden Konzertsälen des Landes.
In Essen ist es neben den Krupps die Grillo-Familie, die Spuren hinterlassen hat und ebenfalls bis heute ihren Namen am prominentesten durch einen Kulturbau verewigen konnte. Das Grillo-Theater wurde bereits 1892 eröffnet und ist damit das älteste Stadttheater im Ruhrgebiet. Gestiftet wurde es von Wilhelmine Grillo – zum Andenken an ihren verstorbenen Mann Friedrich. Der Entwurf stammt von dem, vor allem durch Theaterbauten bekannten, Architekten Heinrich Seeling und ging ebenfalls aus einem Wettbewerb hervor.
Dass es sich um einen zeittypischen Bau im neobarocken Stil handelte, lässt sich heute am ehesten noch am Grundriss erkennen. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Grillo-Theater – anders als die Oetker-Halle – stark zerstört und danach von Wilhelm Seidensticker verändert und besonders an der Frontseite in wesentlich schlichterer Formensprache wieder aufgebaut. Mit Werner Ruhnau, der im April 2022 hundert Jahre alt geworden wäre, ist ein dritter bedeutender Architekt an der heutigen Erscheinung des Grillo-Theaters beteiligt. 1988 sollte die Geschichte des Hauses eigentlich enden, doch der damalige Schauspieldirektor Hansgünther Heyme setzte sich gegen die Schließungspläne der Stadt durch. Werner Ruhnau modernisierte den Bau im Inneren. Doch so bahnbrechend seine frühen Theater in Münster und Gelsenkirchen auch waren, so sehr schien sein Konzept der Raumbühne bereits überholt, als er es in Essen noch einmal umsetzte. Genutzt wurde die Flexibilität des Saals nur in Einzelfällen, der Guckkasten blieb der Standard. Heute erscheint das Grillo-Theater architektonisch als eine merkwürdige Chimäre aus hundert Jahren Theaterarchitektur.