In NRW sind Brücken ein eher heikles Thema. Die meisten stammen aus den 1950er und 60er Jahren und sind stark sanierungsbedürftig. Im Falle einiger Rheinbrücken sieht es noch düsterer aus: In Duisburg und Leverkusen hilft nur noch der Abriss und Neubau. Bei allem Ärger der Autofahrer*innen über Teilsperrungen und Dauerbaustellen gerät allzu leicht in Vergessenheit, dass Brücken faszinierende Architektur- und mehr noch Ingenieurleistungen sind.
Dazu gehört auch ganz sicher die Leverkusener Brücke mit der eleganten Schlichtheit ihrer zwei Pylone und Schrägseiltragkonstruktion. Eleganz und Leichtigkeit ist die hohe Schule der Brückenbaukunst. Immer geht es darum, möglichst stützenfrei große Spannweiten zu erreichen, Bögen sollten einen perfekten Schwung haben, im besten Fall ist es die reine Konstruktion, die die Gestaltung der Brücke bestimmt.
In unmittelbarer Nähe der A1-Brücke in Leverkusen findet sich ein Bauwerk, das einen eher bildhaften, assoziativen Weg wählt: Die Neulandbrücke. Vom Rheinufer führt die Fußgänger- und Fahrrad-Brücke zum ehemaligen Landesgartenschau-Gelände von 2005. Der Entwurf stammt von Ağırbaş / Wienstroer Architektur & Stadtplanung. Die blassblaue Stahlfachwerk-Konstruktion erinnert an klassische Bauten für Eisenbahn oder den industriellen Bereich. Hier ist sie allerdings in Wellen und mit seitlichem Schwung interpretiert und bekommt die Anmutung einer Achterbahn. Offensichtlich soll sie dadurch nicht nur interessanter werden, sondern auch den Freizeit- und Spaß-Aspekt hervorheben. Leider ist das Stahlfachwerk unverhältnismäßig massiv, wenn nicht gar klobig geraten. Noch entscheidender: Die eigentliche Lauffläche folgt nicht dem Wellenschwung des Tragwerkes, so dass ein zusätzliches Geländer den ästhetischen Gesamteindruck zerstört. Von der ursprünglichen Formidee bleibt so nicht viel mehr als der Eindruck mangelnder Konsequenz in der Umsetzung.
Dass das Büro Wienstroer es eigentlich viel besser kann, beweist es in seiner Heimatstadt Neuss im Hafen. Die 110 Meter überspannende Fußgängerbrücke wurde von 2013 bis 2015 gebaut. Mit zehn vertikalen Stahlseilen ist die Fahrbahn an einem durchgehenden, flachen Bogen aufgehängt. Der Bau bezieht aus der deutlichen Sichtbarkeit der Konstruktion und der Reduktion auf das technisch Notwendige seine Faszination. Die wirkenden Kräfte und die Verteilung der Lasten scheinen unmittelbar erlebbar zu werden. Der flache Bogen setzt ein elegantes Zeichen. Die eigentliche Fahrbahn wird von einer breiten Bank in der Mitte in zwei Hälften geteilt. Hier lässt es sich mit Blick auf das Hafenbecken verweilen. Eine schöne Idee, die die Neusser Hafenbrücke zu mehr als nur einem Verkehrs- und Durchgangsort macht. Aber hier kommt auch der einzige Fehler des Entwurfes ist Spiel: Wo Menschen sich aufhalten, fällt auch Müll an. An Abfallbehälter haben die Architekt*innen allerdings nicht gedacht. Jetzt stehen auf der Brücke einige Plastiktonnen, die mit Fahrradschlössern am Geländer gesichert sind, und stören das Gesamtbild. Perfekt wäre, wenn sich hier die Stadt Neuss und das Architekturbüro noch um eine dauerhafte und ansprechende Lösung bemühen würden.