Demis Volpi wird 2024 Ballettintendant in Hamburg. Und bringt mit seiner Inszenierung von »Krabat« eine umjubelte Premiere in die Düsseldorfer Oper am Rhein.
Als John Neumeier im Sommer in Düsseldorf seine Uraufführung »from time to time« für den Ballettabend »Vier neue Temperamente« kreierte, hatte er nicht nur sein neues Werk über Melancholie im Kopf. Neumeiers Aufmerksamkeit galt kurz vor seinem Abtreten nach 50 Jahren an der Spitze des Hamburg Ballett auch Demis Volpi. Die Hamburger Findungskommission für die Neumeier-Nachfolge hatte nämlich, nach einem Jahr Suche ohne Ergebnis, Düsseldorfs Ballettdirektor und Chefchoreograf ins Auge gefasst. Und die Zustimmung der 80-jährigen Tanzlegende war zwingend. Volpi überzeugte: Zur Saison 2024/25 wechselt der erst 36-jährige Deutsch-Argentinier als Ballettintendant nach Hamburg. Ein Karrieresprung in gewaltige Fußstapfen hinein.
Wie fühlt es sich an, einen Ort zu verlassen, an dem er gerade erst Fuß gefasst hat? »Das weiß ich noch nicht, ich habe ja noch anderthalb Spielzeiten vor mir«, sagt Demis Volpi dazu. Tatsächlich sei es so, dass er und die Kompanie durch die Pandemie zumindest intern die Zeit als viel intensiver und länger empfunden hätten. »Seit dem gemeinsamen Neustart fühlt es sich nicht nur wie zwei normale Jahre an, die wir hier zusammen erlebt haben, sondern wie ein ganzes Kapitel«, resümiert er.
Wenn Volpi 2024 an die Alster wechselt, hat er am Rhein für frischen Wind gesorgt. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass seine vier Spielzeiten in Düsseldorf-Duisburg geprägt sein werden von jungen Nachwuchschoreograf*innen. International begehrte Newcomer wie Aszure Barton, Andrey Kaydanowskiy oder Gil Harush kreierten erfolgreiche Uraufführungen. Seine Pläne für die verbleibende Zeit umreißt Volpi so: »Wir werden in der nächsten Saison wieder eine Reihe von spannenden Neukreationen haben und dazu ein Wiedersehen mit bekannten Stücken. Die Kompanie wird sich in ihrer Mehrsprachigkeit weiterentwickeln können.« Als Choreograf allerdings konnte Volpi selbst bislang nicht überzeugen. Er ist mehr ein fantasievoller Theatermacher – siehe »Geschlossene Spiele«, das abgedrehtes, surreales Tanztheater bietet.
Zauberisches Bildertheater
So auch sein Erfolgsstück: »Krabat« nach dem Jugendroman von Otfried Preußler. Ein zauberisches, opulentes Bildertheater, das nun auch in Düsseldorf bejubelt wird. Der Abend, entstanden 2013 für das Stuttgarter Ballett, schlug dort so ein, dass Volpi sofort zum Hauschoreografen ernannt wurde. Das Buch »Krabat«, erinnert sich Volpi, sei eine Empfehlung der Ausstatterin Katharina Schlipf gewesen. »Sie kennt mein Faible für Geschichten zum Thema Magie. Und tatsächlich hat Preußlers Erzählung mich vollkommen in ihren Bann gezogen«, erzählt der hellwache Künstler. Sie entwickele einen starken Sog, weil sie unheimliche Begebenheiten erzähle, gleichzeitig vollkommen zeitlos und universell die Strukturen von Macht und Gehorsam, Unterdrückung und Sehnsucht nach Freiheit aufdecke. Volpi: »Das Buch gibt keine Antwort auf die Frage, wie die Welt ohne diese Machtstrukturen aussähe – das macht es so glaubwürdig.«
Volpi macht aus Preußlers Roman ein Handlungsballett voll von dunklem Geheimnis und Fantasie – für alle Generationen. In bildgewaltigen Kulissen aus 1500 Mehlsäcken erzählt er durch modernen und klassischen Tanz die Geschichte des Waisenjungen, der gemeinsam mit elf anderen Lehrjungen in die Fänge eines schwarzen Magiers gerät. Die Liebe zwischen Krabat und einem Mädchen, wunderbar zart inszeniert, könnte den Zauber brechen. In der Titelrolle ist der junge Miquel Martínez Pedro zu erleben, der in diesem Jahr, zu Recht, für den Theaterpreis »Faust« nominiert wurde. Ein kraftvoller Krabat, der choreografische Details fein ziseliert austanzt.
mehrere Aufführungstermine bis 14. Januar 2023
Düsseldorfer Opernhaus