Miguel Martínez Pedro heißt das Top-Tänzertalent beim Düsseldorfer Ballett am Rhein. Die Rollenkreationen des jungen Spaniers – von einem Huhn über Baal bis hin zu Krabat – sind ein Ereignis. 2022 war er für den »Faust« nominiert. Nun ist er in einem Ballett-Krimi von Andrey Kaydanowskiy zu erleben.
Die dunkle Lockenmähne ist ab. Wer Miguel Martínez Pedro auf der Bühne in Dominique Dumais‘ Ballett »A Kiss to the World« finden wollte, musste ein bisschen länger hinschauen. Bislang konnte man den Spanier auf den ersten Blick an seinem Wuschelkopf erkennen. Jetzt ist er in den größeren Ensembles vom Saal ein bisschen schwieriger auszumachen. Spätestens aber in den Trios, Duetten und natürlich Soli ist er eindeutig identifizierbar: Seine unaufdringliche Präsenz, sensible Darstellung und der intensive Tanz fallen ins Auge.
Er war das Küken des Balletts am Rhein, als Martínez Pedro mit gerade mal 17 Jahren zur Spielzeit 2020/2021 aus Valencia nach Düsseldorf kam. Ballettchef Demis Volpi hatte ihn vom Conservatorio Professional de Danza weg an den Rhein verpflichtet – Martínez Pedros erstes Engagement. Sein erstes Gehalt erhielt der Wirbelwind damals bar ausgezahlt, weil er zu jung war, um ein Konto zu eröffnen. Mittlerweile ist das ungestüme Jugendliche einer erwachseneren Männlichkeit gewichen. Kein Wunder, im Leben des 21-jährigen Tänzertalents ist in den knapp vier Jahren viel passiert – einer Nominierung für den »Faust«-Preis inklusive. Miguel Martínez Pedro: »Düsseldorf hat mir die Möglichkeit gegeben, in ganz unterschiedlichen Stücken zu tanzen – mal klassisch, mal zeitgenössisch, abstrakt und narrativ. Jedes Ballett hat mir etwas anderes gegeben.« Seine Lieblingsrolle? »Baal – das war meine bislang größte Herausforderung! Physis und Theatralik kommen auf einem so intensiven Level zusammen.« Diese Rolle habe ihn als Künstler, Performer und als Menschen am meisten wachsen lassen.
Für die Gestaltung des Titelhelden in Aszure Bartons Bertolt-Brecht-Ballett »Baal« wurde er 2022 mit nur 19 Jahren für den Deutschen Theaterpreis »Der Faust« nominiert. Als der wichtigste deutsche Theaterpreis, vergeben vom Deutschen Bühnenverein, an ihm vorbeiging, empfand Martínez Pedro keine Enttäuschung: »Ich war schon glücklich über die Nominierung und die Gelegenheit, mit meiner Familie die Gala zu besuchen. Ich bin ohne jede Erwartung hingegangen, in dem Bewusstsein, dass ich meine Nominierung mit großartigen Künstlern wie der Gewinnerin Beatrice Cordua teilen durfte«, gibt er sich bescheiden.
Als Baal ist der energiegeladene Miguel Martínez Pedro in seinem Element. Gleich zu Beginn landet er im Sturzflug auf der Bühne zu Füßen einer wie zum Tribunal aufgestellten Gesellschaft. Die Figur des Dichters, angelegt zwischen emotionalen Extremen, zeichnet das aufregende Talent kraftvoll und leidenschaftlich. Wilden Eigensinn verbindet er mit hemmungslosem Spieltrieb. Seine ausladenden Bewegungen schleudert er voller Verachtung für die Welt aus sich heraus. Kalt benutzt er die Frauen, wirft sie weg und verhöhnt noch die Selbstmörderin.
Der Spanier ist kein danseur noble, mehr ein energiegeladener Ausdruckstänzer mit großer Wandlungsfähigkeit. In Demis Volpis Handlungsballett »Krabat« (2013, Stuttgart) überzeugt er in jeder Hinsicht. Er strahlt wie ein Kind, als sein Krabat zum ersten Mal das Rabengefieder trägt, erweist sich als sprungstark und agil in seinen Soli. Choreografische Details tanzt er fein ziseliert aus. Und dann, als er die blonde Kantorka erblickt, verwandelt sich der Bursche glaubhaft in einen seltsam entrückten Knaben. Es bedarf keiner großen Mimik – der Blick aus seinen großen braunen Augen berührt.
Seine ungeheure Energie kann er durchaus drosseln. So in Volpis absurdem Tanztheater »Geschlossene Spiele«, in dem er ein Huhn spielt. In einem Restaurant entzündet sich die Stück-Thematik, ob ein Mensch über das Leben eines anderen entscheiden darf, exemplarisch an dem geflügelten Wesen. Aus der Witzfigur des Tiers gelingt es Martínez Pedro, ein berührendes Opfer zu machen. Wenn er nach seinem Solo resigniert den Kopf in den Teller des Gastes legt, lacht niemand mehr.
Dass in Pedros Körper nicht nur das klassische Ballett zu Hause ist, sieht man. Das Kind Miquel verausgabte sich im Taekwondo und beim Turnen. Es war seine Mutter, die ein Ballettstudio leitete, die den Elfjährigen am Conservatorio anmeldete. Neben klassischem und zeitgenössischem Tanz trainierte er dort auch Flamenco. Nach der Grundausbildung, die er nach zwei Jahren statt in vier Jahren abgeschlossen hatte, entschied er sich für das klassische Ballett.
Im März wird er in dem Krimi-Ballett »True Crime« auftreten. Drei Uraufführungen von Andrey Kaydanowskiy, Hege Haagenrud und Demis Volpi beleuchten ein Verbrechen aus unterschiedlicher Perspektive. Miquel tanzt in Kaydanowskiys Beitrag. Noch weiß er nicht, welcher Part auf ihn zukommt. »Die Herausforderung bei Andrey ist, dass die Kreation zum größten Teil mit uns im Studio entsteht. Er weist uns Aufgaben zu, auf die wir reagieren müssen.« Martínez Pedro wird sie auf seine wunderbare Weise lösen.
Name: Miguel Martínez Pedro
Alter: 21 Jahre
Wohnort: Düsseldorf
Künftige Projekte: Seit dem 7. März ist Pedro in der Uraufführung von »True Crime«
in der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf zu sehen, ab 22. März im Theater
Duisburg.