Frauen im Film: Das sind nicht nur Schauspielerinnen, sondern auch Regisseurinnen, Kamerafrauen, Produzentinnen. Sie alle stärkt das Internationale Frauen Film Fest in Dortmund und erzählt im April Geschichten entgegen der patriarchalen Muster. Dieses Jahr mit einem Schwerpunkt auf Kolonialismus und den Auswirkungen bis in die Gegenwart.
Tipis stehen im Kreis, federgeschmückte Männer fliegen auf Pferden durch die Landschaft und ein schlotternder weißer Mann hat Angst in ihrer Gesellschaft: eine stereotype Darstellung von native Americans im wilden Westen. Doch im Stummfilm »Fatty and Minnie-He-Haw« aus dem Jahr 1914 spielt die Cheyenne Minnie Devereaux eine selbstbewusste Frau, die erst den weißen Mann rettet und ihm dann Avancen macht. Die Komödie läuft im Kurzfilm-Programm des Internationalen Frauen Film Fests. Betty Schiel hat den Schwerpunkt »Sehen lernen und verlernen − Film dekolonisieren« kuratiert, der sich damit beschäftigt, wie People of Colour im Film dargestellt werden und wurden und wie sie selbst die Macht über die Bilder wiedererlangen können. Dabei begleiten einordnende Veranstaltungen das Filmprogramm: »Fatty and Minnie-He-Haw« kommentiert die indigene Autorin und Sängerin Arigon Starr, es gibt Erläuterungen zum schwierigen Umgang mit dem rassistischen Bildmaterial aus der Kolonialzeit oder eine Diskussion zur Ungleichheit bei Koproduktionen mit Filmschaffenden aus Afrika, wie auch ein Stadtrundgang zur Kolonialgeschichte Dortmunds.
Macht des weißen Blicks
In einem Workshop teilt Rosine Mbakam ihre Erkenntnisse über die Machtstrukturen des weißen Blicks im Film. Die aus Kamerun stammende Regisseurin musste ihre eigene Sichtweise hinterfragen, als sie nach Belgien kam und als einzige die in ihrer Klasse in der Filmhochschule gezeigten Produktionen als rassistisch empfand. Mit ihr kann auch das Publikum des Internationalen Frauenfilmfests lernen, die Darstellung von People of Colour im Film neu zu sehen und koloniale und rassistische Darstellungen zu entdecken.
Insgesamt werden diesem Jahr in Dortmund an fünf Spielorten über 100 Filme gezeigt, eröffnet von dem Dokumentarfilm »Die Möllner Briefe« von Martina Priessner, in dem sie die überlebenden Geschwister Arslan der Neonazi-Brandanschläge 1992 in Mölln begleitet. Alle aktuellen Filme, wie auch die aus dem Archiv, rücken Frauen auf der Leinwand ins Zentrum, vor allem aber im Produktionsbetrieb, wo ihr Anteil immer noch verschwindend gering ist. Um das zu ändern hat das Internationale Frauen Film Fest gemeinsam mit dem Dortmunder Technikverleiher CineOne & Spottlight einen neuen Preis ins Leben gerufen: »Female Gaze« – der weibliche Blick – für Kamerafrauen aus NRW. Ihn erhält am 5. April im sweetSixteen Zoe Dumas für ihren Abschlussfilm »El Mártir«. Ausnahmsweise steht hier ein Mann im Mittelpunkt: Der Film erzählt von seiner Besessenheit von der Gestalt Jesu Christi.
»Möllner Briefe« ist als Eröffnungsfilm am 1. April, 19 Uhr,
im CineStar Dortmund zu sehen.
Die offizielle Festivaleröffnung ist am 4. April, 17.30 Uhr, in der Schauburg.
»Fatty and Minnie-He-Haw« läuft im Kurzfilmprogramm »Framing the Archive«
am 6. April, 16 Uhr, im sweetSixteen.

Aus dem Leben einer Frau
Rosine Mbakams Familiengeschichte »The Two Faces of a Bamiléké Woman«
Sieben Jahre, nachdem Rosine Mbakam aus Kamerun nach Belgien kam, kehrt sie in ihr Heimatland zurück. Zurück zu ihrer Herkunft, zu ihrer Familie und besonders zu ihrer Mutter. Diese erzählt aus ihrem Leben und von den Traditionen – wie beiläufig erfahren die Zuschauer*innen von unterschiedlicher Trauerkleidung für die verschiedenen Familienmitglieder, wie normal Zweit- oder Drittfrauen sind und dass die Mutter als selbständige Marktfrau die Zeitungen, in die sie den Fisch gewickelt hat, gar nicht lesen konnte. Wertfrei und nicht kommentierend nimmt der Dokumentarfilm mit in das Leben einer Frau, die trotz widriger Umstände einiges erreicht hat, erzählt dabei aber auch von der Einsamkeit und Sehnsucht derjenigen, die weggegangen sind.
»The Two Faces of a Bamiléké Woman«, 5. April, 17.30 Uhr, Schauburg Dortmund

Vom Schicksal eines Statisten
Eva Knopfs Dokumentation »Majubs Reise«
Ausgerechnet Anfang der 1930er Jahre kam Majub bin Adam Mohamed Hussein nach Deutschland. In der Kolonie Deutsch-Ostafrika war er im Ersten Weltkrieg Kindersoldat für Deutschland – doch Sold hat er nie ausbezahlt bekommen. Also heuert er auf einem deutschen Schiff an und verlangt in Berlin sein Geld. Das erhält er nicht, der Aufforderung zur Ausreise kommt er nicht nach, sondern wird als Mohamed Husen ein viel beschäftigter Statist im Propagandakino der Nationalsozialisten. Der Dokumentarfilm von Eva Knopf rückt den Nebendarsteller ins Zentrum und versucht, seine Biografie zu rekonstruieren. Dabei wird gleichzeitig die Frage aufgeworfen, wie man mit den unerträglichen Filmen aus der Nazi-Zeit umgehen soll: Nur wer sie zeigt, kann auch die Geschichte des Statisten Mohamed Husen erzählen.
»Majubs Reise«läuft im Kurzfilmprogramm »Decolonize the Archive« am 4. April,
17.30 Uhr, im sweetSixteen