Herrlich, so ein Eigenheim. »Den ersten Schritt zur Unabhängigkeit seiner Existenz tut der Mitteleuropäer, indem er Geborgenheit unter einem Satteldach sucht«, hat Heinrich Klotz, der Gründungsdirektor des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt, einmal über Einfamilienhäuser geschrieben. Ob er dabei auch an die Zechensiedlungen des Ruhrgebiets dachte? Sicher ist: Bis heute stehen die Reihenhäuser für ein Stück Revierkultur, die man früher gern besitzen, eines Tages an die eigenen Kinder weitergeben wollte – oder möglichst schnell loswerden. So wie Wolfgang Fröhling, der in einem vergleichbaren Haus in Bottrop groß wurde und später dann doch in ein Niedrigenergiegebäude mit Flachdach zog. Ein Befreiungsakt? »Jede Straße hatte damals ihre eigene Fußballmannschaft unter uns Kindern, aber keine Wohnung ein komfortables Bad«, erinnert sich Fröhling heute. Die Gemeinschaft, aber auch die Enge sei damals groß gewesen.
Wer »auf Zeche ging«, bekam im Idealfall eine Wohnung in der werkseigenen Siedlung zugewiesen. Mit dem Niedergang der Kohleindustrie wurden die alten Doppelgebäude privatisiert – und verändert. »Erst in den letzten Jahren sind die Menschen wieder zunehmend stolz auf ihre Häuser«, sagt Fröhling, der als Dozent für Fotografie an der Düsseldorfer Mediendesign Hochschule unterrichtet und zum Fotografennetzwerk des Gelsenkirchener »Pixelprojekt-Ruhrgebiet« gehört. Das war 2002 von Peter Liedtke gegründet worden, um einen dauerhaften Ausstellungsort für Fotoserien und ihre Macher zu schaffen – im Internet. Ein digitales Archiv, das inzwischen auf 10.0000 Bilder über die Städte, Menschen und Landschaften im Revier angewachsen ist. Regelmäßig gibt es dazu Ausstellungen im Gelsenkirchener Wissenschaftspark.
Fröhlings Fotos erzählen viel vom Wandel der Region, von veränderten Bedürfnissen und Trends, die die einst identischen Gebäude voneinander trennten. Sie zeigt, wie An-, Aus- und Umbauten, Ordnungsinn, Dekorationsfimmel und Sanierungswahn, Vorgärten des Grauens und kleine Oasen aus Grün die Siedlungen verändern. Eine weitere Serie hat ihn in die Innenhöfe der Arbeitersiedlungen gebracht. Über den einstigen Klohäuschen im Freien hat ein Schalke-04-Logo noch immer einen Ehrenplatz. Rehe aus Drahtgeflecht staksen vor Garagentoren umher, Gartenzwerge lümmeln in Vorgärten. Selbstgemalte Segelboote ziehen auf überpinselten Backsteinwänden ihre Runden. Ein Stück Hofkultur. Momentaufnahmen des (wechselnden) Geschmacks.
Das »Pixelprojekt Ruhrgebiet« zeigt regelmäßig Ausstellungen im Gelsenkirchener Wissenschaftspark
Munscheidstr. 14