Am 20. Oktober eröffnet das Museum M Leuven die Ausstellung »Dieric Bouts. Bildermacher«. Das flankierende Stadtfestival »New Horizons« erweitert den Radius der Werkübersicht und bringt den flämischen Meister der Spätgotik in den öffentlichen Raum von Löwen.
Eine Premiere für Löwen, eine Premiere für die Kunstgeschichte: Noch nie waren so viele Werke des niederländischen Malers Dieric Bouts in seiner Heimatstadt versammelt, wie das demnächst im Museum M Leuven der Fall ist: Die Ausstellung »Dieric Bouts. Bildermacher«, die dort am 20. Oktober startet und vom Stadtfestival »New Horizons« begleitet wird, vereint 30 Arbeiten des Künstlers.
Über das Leben des Künstlers ist nicht sonderlich viel bekannt – abgesehen von der Tatsache, dass er es mit seiner Malerei zu Ruhm und Wohlstand gebracht hat. Bouts wurde zwischen 1410 und 1420 in Haarlem geboren; er starb am 6. Mai 1475 in Löwen. 30 Jahre zuvor war er in die flämische Stadt gekommen, die im 15. Jahrhundert unter burgundischer Herrschaft eine Blütezeit erlebte. Hier heiratete er die Patriziertochter Catharina van der Brugghen. Zwei der vier Kinder – Dierick Bouts der Jüngere und Aelbert Bouts – brachten es als Maler ebenfalls zu Ansehen.
Multimedia-Spektakel und Stadterkundungen
Das »New Horizons | Dieric Bouts Festival« dient nicht allein als Resonanzboden der Museumsschau im öffentlichen Raum. Zugleich darf es als Warm-up zur Ausstellung verstanden werden, weil einige Veranstaltungen des Festivals bereits am 22. September starten. Dazu gehören beispielsweise Stadtführungen auf den Spuren von Bouts.
Die französische Compagnie XY animiert das Publikum zu einer einwöchigen akrobatischen Stadterkundung. »Les Voyages«, so lautet der Titel ihres Projekts, das an verschiedenen geschichtsträchtigen Stationen in Löwen haltmacht und am 27. September mit dem Finale »Le Grand Rendez-Vous« im Sint-Donatuspark ausklingt.
Am 30. September ist das Velodroom Leuven Schauplatz des Multimedia-Spektakels »Bouts in perspective«. Theater, Tanz, Musik und Zukunftsszenarien – alle diese Kunstformen lassen sich von der Malerei des Dieric Bouts inspirieren und übersetzen dessen spätmittelalterliche Bilderwelten in visuelle Botschaften des 21. Jahrhunderts. Besonderes Highlight hierbei: ein Augmented-Reality-Bild des Street-Art-Künstlers Leon Keer. Er bespielt die Fassade des Kulturzentrums 30CC mit einer 3D-Projektion, bei der sich technische Raffinesse und Einfallsreichtum die Waage halten. Auch nach dem Ende des Festivals soll die Bouts-Hommage von Leon Keer vor Ort bleiben und das Gedächtnis an den Künstler gleichsam dauerhaft verankern.
Im 30CC finden am 30. September auch diverse Vorträge statt, die eine neue Perspektive auf das Schaffen von Dieric Bouts bieten (die meisten in niederländischer Sprache). So will der Kunsthistoriker Peter Carpreau, einer der Kurator*innen der Werkübersicht im M Leuven, darlegen, weshalb Bouts und seine Welt rund 600 Jahre später nichts an Faszination verloren haben. Sarah Neutkens, niederländische Komponistin, Künstlerin und Model, fragt, wie man seine Identität gestalten kann, wenn man sich im »Dazwischen« befindet. Und Fleur Pierets, Schriftstellerin, Künstlerin und LGBTQ-Aktivistin, gibt einen Ausblick auf das erste »Queer Literature«-Fest in Löwen, das im November über die Bühne geht.

Für kulinarische Highlights beim »New Horizons | Dieric Bouts Festival« sorgt vom 22. September bis 14. Januar 2024 das Programm »Bouts on your Plate«. Dabei variieren Spezialitäten-Geschäfte, Restaurants und Brasserien historische Rezepte des 15. Jahrhunderts mit zeitgenössischen Feinschmecker-Zutaten. Mit dabei sind unter anderem die Bar Jérôme, De Klimop, Land aan de Overkant, Leuven Taste und ’t Oud Gasthuys.
So richtig am Horizont empor steigt »New Horizons« allerdings erst im Oktober. Dann dreht sich in der Hauptstadt der Provinz Flämisch-Brabant (beinahe) alles um Dieric Bouts. Am 6. Oktober eröffnet in der Universitätsbibliothek die kulturhistorische Schau »(Un)chained Knowledge. Fake news, censorship, and information today and in the 15th century«. Fake News und Zensur, lehrt uns die Ausstellung, sind kein Privileg der Gegenwart – es gab sie auch schon im Spätmittelalter.

Für das prachtvolle spätgotische Rathaus am Großen Markt, erbaut 1439–1468, schuf Bouts das Diptychon »Die Gerechtigkeit Kaiser Ottos III.«. Die Festival-Ausstellung »Bouts and beyond« beleuchtet die Hintergründe dieses Prestige-Auftrags mit historischen Dokumenten und Multimedia-Installationen.
Weil der Abendmahlsaltar von Dieric Bouts den Mittelpunkt der Retrospektive im M Leuven einnimmt, verlässt er die Sint Pieterskirche vorübergehend, bis Mitte Januar 2024. An seine Stelle rückt eine zeitgenössische Multimedia-Installation: »The Migration of the Wings«, so betitelt die renommierte US-Künstlerin Jill Magid ihre Arbeit. Mit Film und Sound vergegenwärtigt Magid die wechselvolle Geschichte des Altars, der zwischen 1464 und 1467 im Auftrag der Bruderschaft des Heiligen Sakraments entstand. Jill Magid, die im nächsten Frühjahr mit einer Soloschau im M Leuven zu Gast ist, macht einmal mehr deutlich, dass die Malerei der Alten Meister das Potenzial hat, Jahrhunderte zu überbrücken und heutigen Betrachter*innen wesentliche Botschaften zu vermitteln.
»New Horizons | Dieric Bouts Festival«, Löwen, 22.9.–14.1.2024
https://www.diericboutsfestival.be/en/
»Dieric Bouts. Bildermacher«, Museum M Leuven, Löwen, 20.10.–14.1.2024