Ganz schön verwirrend: In seinen Bildern schildert der flämische Maler Willem van Haecht (1593-1637) übervolle Schatzkammern der Kunst. Ein Paradebeispiel ist die Sammlung des Cornelis van der Geest von 1628. Das Werk gibt uns einen Eindruck von der umfangreichen Kollektion des Antwerpener Kunstsammlers und Rubens-Mäzens, dessen Wände mehr als 40 Gemälde zieren. Doch können sich die Kunstenthusiasten, die durch den Salon flanieren, auch an Skulpturen, antiken Münzen, Porzellan und vielem mehr erfreuen.

Letztlich handelt es sich bei dem Bild, das dem Rubenshaus in Antwerpen gehört, um ein Stelldichein der Meisterwerke. Als solches passt es nicht nur wunderbar in die Ausstellung »Selten und unverzichtbar. Meisterwerke aus flämischen Sammlungen«, die das Museum MAS in Antwerpen zeigt. Mehr noch: Willem van Haechts »Kunstkammer« verkörpert das Konzept der Präsentation gleichsam en miniature. Denn die Schau, kuratiert von Thomas Leysen und Ben Van Beneden, vereint Meisterwerke verschiedener Epochen, von denen sich Museen, Kirchen, Bibliotheken und private Sammler vorübergehend getrennt haben.
Freilich handelt es sich nicht um x-beliebige Spitzenstücke der Kunstgeschichte. Vielmehr präsentiert das »Museum aan de Stroom« (so der vollständige Name), das 2011 im einstigen Hafenviertel von Antwerpen eröffnet wurde, Exponate, die in die Liste der flämischen Meisterwerke aufgenommen oder seit 2003 mit Hilfe der flämischen Regierung erworben wurden. Hintergrund der sogenannten Meisterwerke-Verordnung: Um zu verhindern, dass wertvolles Kulturgut außer Landes gerät, erließ die Regierung der Flämischen Gemeinschaft ein Dekret; darin ist festgelegt, dass Objekte, die der »Topstukkenraad« (»Rat für Meisterwerke«) als »selten und unverzichtbar« einstuft, nicht an Institutionen oder Personen außerhalb Flanderns verkauft werden dürfen. Außerdem unterstützt die Regierung öffentliche Kunst- und Kultursammlungen in Flandern durch den Ankauf bedeutender Werke.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat das Meisterwerke-Gütesiegel viel Gutes bewirkt. Davon kann man sich in der Jubiläumsausstellung »Selten und unverzichtbar« überzeugen. Einen besonderen Blickfang der MAS-Ausstellung bilden herausragende Gemälde, etwa von Hugo van der Goes, Peter Paul Rubens, Jacob Jordaens, James Ensor, René Magritte, Jean Brusselmans oder Tom Wesselmann. Zur Auswahl gehören aber auch Skulpturen, kostbares Silber, mittelalterliche Manuskripte und ein seltenes Möbelstück von Pierre Gole, dem Pariser Ebenisten niederländischer Abstammung, der die royale Wertschätzung des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. genoss.

Übrigens stehen auch sechs Werke aus der Sammlung des MAS auf der Liste der flämischen Meisterwerke. Zwei davon sind jetzt Teil der Ausstellung. Ungewöhnlich nicht zuletzt wegen ihres Materials – Majolika – eine Episode aus der Apostelgeschichte: »Die Bekehrung des Paulus« setzte Franchois Frans im späten 16. Jahrhundert als hochdramatisches Geschehen auf farbig bemalten Keramikplatten in Szene. Ergänzend zur MAS-Ausstellung zeigt das Museum Plantin-Moretus vom 17. November bis 18. Februar 2024 eine Präsentation mit rund 80 Zeichnungen und Druckgrafiken aus Renaissance und Barock, die ebenfalls auf der Liste der flämischen Meisterwerke stehen.
»Selten und unverzichtbar. Meisterwerke aus flämischen Sammlungen«, Museum MAS, Antwerpen, 31. Oktober bis 25. Februar 2024