Gerade noch wurden wir im dunklen Saal dramatisch von Wagner umtost oder süßlichem Puccini-Parfüm betört, da lockt schon die Pause mit Schnittchen und Schaumwein im Erfrischungsraum. In den Nachkriegsjahren wurden Theater und Opernhäuser von großbürgerlicher Protzerei entrümpelt. »Foyer« und »Vestibül« hatten ausgedient, genauso wie Marmor und Stuck. Der »Erfrischungsraum«, der sich mit dem Aufkommen der Warenhäuser in den 1920er Jahren etablierte, hielt Einzug in die frisch demokratisierte Hochkultur.
So auch im Wuppertaler Opernhaus, das im Krieg zwar ausgebombt worden war, aber von Baudezernent Friedrich Hetzelt bis 1953 wieder errichtet und dabei nach eigener Aussage von der »schwerverdaulichen Formensprache des Jugendstils« befreit wurde.
Auch wenn die ursprüngliche Möblierung heute nicht mehr vollständig erhalten ist, zeigt der Erfrischungsraum – nach der vollständigen Sanierung des Opernhauses bis 2009 – mit seinem abstrakten Wandgemälde, den feingliedrigen Lampen und Geländern, der geschwungenen Form und der Fensterfront zur Stadt noch den Geist seiner Zeit. In ästhetischer Hinsicht wird hier ein »Erfrischungsraum« als Gegenbild zum Opernerlebnis im dunklen Saal inszeniert. Wie bei den anderen Erschließungsflächen hat Hetzelt einen erheblichen und detailverliebten Aufwand betrieben, der in seiner Ausrichtung immer leicht, hell und unaufdringlich bleibt, um die Aufnahmefähigkeit des Publikums nicht zu überfordern.
In den 1966 eröffneten Kammerspielen in Bochum von Architekt Gerhard Graubner befindet sich heute die Theatergastronomie »Tanas«. Intendant Matthias Hartmann setze ab 2000 konsequent auf den Ausbau des Theaterabends zum gesellschaftlichen All-Inclusive-Event. Dazu gehörte natürlich auch ein Restaurant. Bei der Suche nach einer geeigneten Fläche bot sich nur eine Möglichkeit: Im Foyer der Kammerspiele entstand die »Speisekammer«. Alles ganz schick und mondän. Der zentrale Tisch war stets für Hartmann reserviert. Hier hielt der Intendant mit seinen prominenten Gästen und Schauspieler*innen gut sichtbar Hof. Hartmann ging 2005 nach Zürich, das Restaurant aber blieb und wurde später zu Ehren der 2008 verstorbenen Schauspielerin und »Ruhrpott-Duse« Tana Schanzara umbenannt.
Die Möglichkeit, vor dem Theaterabend in stilvoller Atmosphäre zu essen, ist durchaus attraktiv. Das Problem am »Tanas« aber ist, dass es dort, wo es ist, nicht hingehört. Die zentrale Kabine der Abendkasse kann nicht mehr benutzt werden, weil davor Tische stehen, Tickets gibt es am Stehpult in einer zugigen Ecke neben der Tür. Das rundum verglaste Foyer, das von Graubner als kommunikativer Wandel-Raum unter der Tribünenschräge mit einer umlaufenden Bank geplant wurde, ist mit Tresen und Möblierung zugebaut. Ist das 400-Plätze-Theater ausverkauft und das Wetter schlecht, drängeln sich die Besucher*innen vor der Vorstellung an den Garderoben. Die wenigen Sitzmöglichkeiten auf Bänken vor den Spiegeln werden zur begehrten Mangelware.
Notgedrungen wird sich, sobald die Theater wieder öffnen, in Bochum erneut einiges ändern. Nach dem katastrophalen Wasserschaden im Dezember 2019 ist die eigentliche Kantine im Untergeschoss des Schauspielhauses nicht mehr nutzbar und kann auch nicht wieder hergestellt werden. Intendant Johan Simons hatte sich jedoch immer schon eine Kantine gewünscht, die öffentlich ist, in der sich Publikum und Mitarbeiter*innen begegnen können. Dieses Konzept wird im »Tanas« nun realisierbar. Die bauliche Enge wird das nicht beheben, aber dem guten Image des Hauses könnte es durchaus zuträglich sein.