Joe und Jay arbeiten in einem Logistikzentrum als »Picker« und »Stower«. Sie tun das schon sehr lange, ohne je nach draußen zu kommen. Längst ist der Wasserspender leer, kein Kaffeepulver mehr da. Trotzdem wird Normalität vorgegaukelt und der Sound der Kaffeemaschine einfach simuliert. Dann kommen neue Pakete über drei Rutschen, müssen gescannt und verstaut werden – nie Ähnliches nebeneinander, damit es nicht zu Verwechslungen kommt.
Vorprogrammiertes Chaos
Doch dann passiert der Fehler: Jay öffnet ein beschädigtes Paket und wird von einer fleischfressenden Pflanze angegriffen. Joe stellt fest, dass »der große Warenausgang« verschwunden ist, der Eingang auch. Ist damit ihre Arbeit sinnlos geworden? Und existiert dieses »Dänemark« in der Adresse wirklich? Es muss der geheimnisvolle Zentralplan des Logistikzentrums her, den noch nie jemand gesehen hat. Vier Androiden – »Das System« – versuchen notdürftig die Ordnung aufrechtzuerhalten, aber das Chaos ist längst vorprogrammiert. Die Handlung in »Chaosmos« an der Wuppertaler Oper ist absurd – und die Umsetzung merkwürdig inkonsequent. Angekündigt war die Uraufführung als Gabelstapler-Oper. Zu erleben ist schließlich ein Stückwerk aus szenischen und musikalischen Momenten, in denen der Gabelstapler nur an zwei Stellen als Requisit auftaucht.
Die Themen Ordnung und Logistik werden mit Videoeinspielungen umkreist: Da geht es etwa um Carl von Linnés binäre Einteilung der Natur in »männlich« und »weiblich«, um die koloniale Aufteilung des afrikanischen Kontinents mit dem Lineal und die Erfindung des modernen Transportwesens durch Überseecontainer. 150 Zuschauer*innen sitzen an drei Seiten um eine quadratische Spielfläche. An der vierten sind Musiker des Sinfonieorchesters Wuppertal auf Podeste verteilt.
Wenig Interakivität
Die Schauspielerinnen Annemie Twardawa und Marie Bretschneider spielen Jay und Joe, ein Gesangsquartett (Wendy Krikken, Iris Marie Sojer, Adam Temple-Smith, Timothy Edlin) repräsentiert das »System«. Zu Beginn legt das Publikum den Musikablauf fest, indem es Ordner mit Partiturteilen von Marc Sinan in Regale einsortiert. Einzelne Klangblöcke, die bei jeder Aufführung etwas anders nacheinander, überlappend oder geschichtet erklingen. Das war es dann auch schon mit der angekündigten Interaktivität von »Chaosmos«. Vielleicht spricht deshalb das Programmheft nur noch von einer »Logistik-Oper«? Fest steht, dass das Stück als Projekt der »NOperas!«-Reihe entstand, die der Fonds Experimentelles Musiktheater (feXm) initiiert. Nach der Uraufführung in Wuppertal wandert es an die Theater in Halle und Bremen, um dort weiterentwickelt zu werden.
Dass der absurde Humor der Story nicht wirklich zündet und die Videos im Linné-Teil arg platt übersexualisiert sind, kann noch nachgebessert werden. Dass aber die Einzelteile der Inszenierung – die Texte von Tobias Rausch und Videos von Konrad Kästner – nur lose nebeneinander stehen, wiegt schwerer. Zum Musiktheater müssten sie die Komposition von Marc Sinan zusammenfügen, doch dafür bleibt sie zu sehr Soundtrack ohne erzählerische Kraft.
8. Februar 2020, Oper Wuppertal, www.oper-wuppertal.de