Wie lässt sie sich beschreiben? Fran Lebowitz hat den Wortwitz und das lose Mundwerk eines weiblichen Woody Allen und Lenny Bruce, ein bisschen was von der Sex-Therapeutin Ruth Westheimer und dem sardonischen Humor des altrömischen Komödiendichters Plautus, und sie ist eigenwillig wie die britische Bohèmienne Vita Sackville-West. Die Schriftstellerin bleibt keine Antwort schuldig: brillant schlagfertig, so dass sie Auditorien mit ihrem Solo füllt oder im privaten Dialog bei ihrem Gegenüber eruptive Heiterkeitszustände hervorruft.
Das »Funny Girl« wurde, wie ihre musikalische Vorgängerin Funny Brice, an der Grenze zu New York geboren (1950 in eine jüdische Familie, was sonst!) und wollte gleich der Musical-Heldin, so schnell es geht, ins Innerste: zum Nabel der Welt. Wollte sich einen kräftigen Bissen nehmen vom Big Apple. Bald schon schrieb sie für Andy Warhols Zeitschrift Interview und später für Vanity Fair, publizierte, kommentierte, dozierte. Das Metropolitan Life ist ihr Thema, aber Lifestyle ihr ein Graus.
Die intellektuelle Flaneurin zwischen Boulevard und Walter Benjamin würde niemals auf ihr i-Phone starren, wenn sie in der Subway sitzt oder die Häuserblocks passiert. Sie hält ihre Augen offen und kennt jeden Stein in der Stadt, lebt geistesgegenwärtig im Heute, aber vermisst das alte – schmutzige, stinkende, baufällige, abgerissene – vitale New York, in das sie um 1970 kam, lebenstoll und hellwach, wie es sich gehört in der City, that never sleeps.
»Pretend It’s a City« (Tu so, als wäre es eine Stadt) heißt die fünfteilige Miniserie, die Netflix herausbringt. Martin Scorsese, der Fran Lebowitz schon für seinen Spielfilm »The Wolf of Wall Street« 2013 besetzte, hat für sie und mit ihr diese Hommage an NYC gedreht, die Stadtführer, soziokulturelles Potpourri wie auch Autobiografie der Fran Lebowitz ist. Scorsese als Gesprächspartner beim Glas Wein will sich schier ausschütten vor Lachen, wenn sie – kommunikativ grimmig und liebenswürdig garstig – über urbane Freizeit- und Begrünungsmaßnahmen herzieht, sich über die Teuerung und Mühsale des Alltags in der Acht-Millionen-Stadt oder irre Taxifahrer lustig macht. Oder als Kaktusblüte im Asphaltdschungel die Schönheit des Schäbigen preist, über ihren Freund, den Jazzmusiker Charles Mingus und dessen Verehrung für den ‚Duke’ Ellington erzählt, den Underground und das Subversive feiert und gegen den Mainstream in Kultur, Sport, Gesundheit und Stadtentwicklung stichelt.
Die fünf mal 45 Minuten machen beinahe wett, dass ein Besuch in der großartigsten Stadt der Welt derzeit verwehrt bleibt. Sie sind die tollste Liebeserklärung seit Bernsteins »West Side Story«, Frank Sinatras Hymne und Woody Allens »Manhattan«.