Zuletzt sah ich so ein Raumschiff vor wenigen Wochen in Julian Rosefeldts 80-minütigem Film »Penumbra« in der Berliner Galerie König: ein rotierender Körper mit ausgreifend insektendünnen Gliedern, die schaufelartig auslaufen – schwebend schwerelos im All. Als »Penumbra« bezeichnet man bei einem Hirninfarkt den Gewebebereich, der an den Infarktkern grenzt und noch überlebensfähige Zellen enthält. Möglicherweise besteht noch Rettung.
Ebenfalls mit erwartungsvoller Hoffnung und einer weltumspannenden Friedensbotschaft endet der vierte und letzte Teil der »Space Odyssey«, die der Autor Arthur C. Clarke 1968 mit »2001« begonnen hatte und 1997 mit der Jahreszahl »3001« abschloss. Tausend Jahre sind angesichts kosmischer Unendlichkeit nicht mehr als ein Wimpernschlag.
Clarke und Stanley Kubrick, der bereits 1968 seine Verfilmung von »2001« ins Werk setzt, denken in anderen Dimensionen. Auch insofern, als dieser Science-Fiction-Film absolute Referenzgröße geblieben ist für jede Weltraum-Fantasie, sogar die reale der NASA. »2001« zieht den menschheitsgeschichtlichen Radius von der Urhorde bis zum Aufbruch zum Jupiter: voneinander nur einen Schnitt weit entfernt. Es ist eine der berühmtesten Montagen der Filmgeschichte, wenn der von einem Frühmenschen in die Luft geworfene Knochen eines erlegten Tieres, den er gelernt hat als Waffe zu handhaben, sich verwandelt in die zum Johann-Strauss-Walzer »An der schönen blauen Donau« selig im Dreivierteltakt wiegende Raumstation.
Clarke und Kubrick, der geniale Bilderfinder und filmische Erzählzeit ebenso verlangsamende und dehnende wie sie beschleunigende Regisseur, installieren ein höheres Prinzip: Kreator mundi und geistige Macht. In Gestalt des schwarzen Monolithen, der an die Tafeln der Zehn Gebote wie an den Kaaba-Stein in Mekka erinnert, trägt er den göttlichen Funken und gibt ihn weiter. Auf der Reise der Discovery mit ihren Astronauten, die das Geheimnis der Botschaft ergründen sollen, widersetzt sich Bordcomputer HAL (mit jeweils einem Buchstaben im Alphabet voran zu lesen als IBM) den Befehlen, tötet Frank Poole und will auch David Bowman neutralisieren, der jedoch seinerseits HAL abschaltet – bis aus dem Superhirn mit letzter Kraft nur noch »Hänschen klein« quäkt.
Bowman verlässt in einer Kapsel das Mutterschiff, ihn durchschüttelt ein psychedelischer Farb- und Klangsturm. Und er erwacht in einem Salon wie aus dem Empire, begegnet sich selbst in seinen Altersphasen bis zum Stadium des Verfalls, um als Embryo in der Fruchtblase die zyklische Wiederkehr zu postulieren. Dazu erklingt die triumphale Fanfare aus Richard Strauss’ »Also sprach Zarathustra«. Die Deuter hatten daran zu deuten.
Die Roman-Fortsetzungen und das Sequel im Kino (»2010: Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen« von Peter Hyams, 1984) schreiben sich entsprechend fort, verschieben die Koordinaten, spielen mit den Mustern: Jupiter, Discovery, Monolith, HAL, die toten, lebenden oder wiederbelebten und aufgetauten Astronauten. Wovon Clarke aber auch erzählt, ist die Rückkehr und Eskalation des Kalten Krieges zwischen den USA und der UdSSR, deren Folgen der Auflösung er nicht erfasst, die bis zum gegenwärtigen Russland Putins reichen. Clarkes Appell friedlicher Nutzung klingt momentan wie HALs »Hänschen klein«.