Konspirativ und total sympathisch: die ernsthafte Wende-Komödie »Zwei Zu Eins« von Natja Brunckhorst. In der Essener Lichtburg feiert der Film am 22. Juli die NRW-Premiere.
Juli 1990, Halberstadt. Es heißt: Good Bye, Lenin und Good Bye, Marx. Aber auch Ludwig Erhards soziale Marktwirtschaft geht auf Nimmerwiedersehen zwischen Rhein und Oder baden. Noch existiert die DDR, aber es knistern bereits die D-Mark-Scheine. »Ich will kein Geld für Nicht-Arbeiten«, sagt Maren (Sandra Hüller), bevor ihre Nummer auf dem Arbeitsamt aufgerufen wird. Jetzt sehen wir erst, wie voll es auf dem Flur ist, wie viele Leute geduldig auf Vermittlung warten und warten.
Gartenlaube hinterm Plattenbau, viel Beige-Braun, davor ein blauer Trabi. Die Abgebauten sitzen an »dem kleinstmöglichen runden Tisch. – Der war doch nicht rund, der war eckig«, folgt als Replik. Das sind feine Spitzen, die treffen. Natja Brunckhorst hat sie geschrieben und auch inszeniert, sie, die wir noch kennen als »Christiane F.« vom Bahnhof Zoo und danach vor allem als Drehbuchautorin.
Einer, Volker (Ronald Zehrfeld), ist vor einer Weile rüber und kehrt zurück; Zwei, Maren und Robert (Max Riemelt), sind geblieben und ein Paar. Maren hatte die Wahl, sie hat Robert genommen, er sei »das kleinere Übel gewesen, vielleicht«, meint er selbst gegenüber seinem Freund Volker.
»Zwei Zu Eins« ist eine Wende-Komödie, aber eine ernsthafte, das meint auch, sie ist zum Lachen traurig. Die Figuren haben Stur-Sinn, Misstrauen, Skepsis, Ironie und reellen Humor, sprechen klasse Dialoge, sachlich-lyrisch wie von Tucholsky oder Kästner, und sind mit Hüller, Riemelt und Zehrfeld, mit Ursula Werner, Martin Brambach, Peter Kurth und Uwe Preuss ‚authentisch’ ostdeutsch besetzt. Deutschland, deine Künstler*innen. Da hat die Gleichstellung funktioniert (neben derjenigen mit der Ex-Kanzlerin aus Quitzow und Templin).
Nicht von ungefähr erinnert Brunckhorsts Filmtitel an Billy Wilders genialische Coca-Cola- und Kommunismus-Berlin-Komödie »Eins, zwei, drei«. Maren, Robert und Volker haben einen Plan, mit dem sie es der alten und neuen Währung heimzahlen wollen. In einem nahe gelegenen militärischen Sperrgebiet tut sich eine Beton-Unterwelt mit Schächten und Hallen auf wie Alberichs Reich. Sie entern das Areal und stehen dort auch ohne Zauberspruch des ‚Sesam öffne dich’ Säcken voll und Bergen von Papiergeld gegenüber: ehemaligem Geld. Ganz frisch ungültige Ost-Mark, nichts mehr wert. Sogar 200er- und 500er-Scheine sind darunter, die aber in der DDR nie in Umlauf kamen.
100.000 Mark zweigen sie als erstes ab: im Wechselkurs »Zwei zu Eins« immerhin noch ein rundes Sümmchen. Nicht Gewinn-Maximierung also, sondern -Minimierung, aber immerhin. Drei Tage Umtauschfrist bleiben noch den DDR-Bürgern.
Die gebunkerte abgewirtschaftete Staatsknete, mit dem Konterfei von Marx, der ein Auge zukneift, als würde er dieser Robin-Hoodiade zustimmen, wird genossenschaftlich unter die Leute gebracht, um damit Westware, Mikrowellen, Topfsets und so’n Zeug von Handel treibenden Wessis zu kaufen. Der Countdown läuft. In Wohnungen, Garagen, Schuppen türmen sich bald Kartons, während die Scheine zwischengelagert in Waschmaschinen kreisen. Dann baldowern Maren und Company noch eine Verlängerung raus mit Hilfe von aus dem Ausland in die sozialistische Heimat zurückkehrenden Reisekadern und Diplomaten, für die Sonderregelungen beim Umtausch gelten.
Die klein- bis gutbürgerlichen Anarchisten wollen mit dem Ostgeld, das sich wundersam in Westgeld verwandeln lässt, ihren maroden VEB aufkaufen und schicken einen kapitalistisch herausgeputzten Strohmann (Peter Kurth) zur Treuhand. Dann ein Schock – und eine Demütigung, nicht die einzige, die das Selbstwertgefühl zersetzt!
Ein Deus ex Machina muss her, als der Coup auffliegt und sogar den Einigungsvertrag und die Republik ins Wanken bringen könnte. Es ist jemand, gebürtig in Halle an der Saale, der einen Ausweg weiß – den ins Exil. Die Ausgewanderten und Neu-Insulaner jedoch wurden mündige Bürger: »Wir sind jetzt hier genau richtig«, sagt Maren, die mit Robert und Volker die Ehe zu Dritt bzw. Familie zu Fünft (mit zwei Kindern) kreiert und auch noch den ideologiebedingt ausgegliederten Onkel Marke zurück-eingemeindet. Das ist ein Satz, um in Stein gemeißelt zu werden, auch und gerade 34 Jahre später. ****
»Zwei Zu Eins«, Regie: Natja Brunckhorst, D 2024, 110 Min.; NRW-Premiere am 22. Juli in der Lichtburg, Essen, Start: 25. Juli