Akazienallee. Was fast poetisch klingt, ist ganz nüchtern betrachtet ein Straßenzug in Essen – ohne einen einzigen Baum. Ein Straßenzug allerdings, der neben der Buchhandlung »proust wörter + töne« auch noch das Ladenlokal des Recherchenetzwerkes Correctiv beherbergt. Damit ist schon mal ein großer Anfang gemacht – auch was die Bäume angeht. Denn passend zum Welttag des Buches wird hier nicht nur am 23. April ein ambitioniertes Literaturprogramm organisiert, sondern die Straße kurzerhand um Bäume ergänzt. Um Literaturbäume, Holzständer, an denen Empfehlungen hängen, versteht sich.
Seit Jahren schon wird Proust mit dem Deutschen Buchhandlungspreis gewürdigt, 2019 wurden sie gar zum schönsten Literaturladen Deutschlands gewählt. Denn das Geschäft ist weit mehr als „nur“ ein Laden für Klassiker, Neuerscheinungen und Empfehlungen. Proust will ein Treffpunkt für Literatur. So hat Bozena Badura mit dem Proust– und Correctiv-Team für den 23. April ein Programm für alle Generationen und Geschmäcker organisiert: Los geht’s in der Buchhandlung mit einer szenischen Lesung von »Käpt’n Knitterbart und seine Bande«. Die Geschichten, geschrieben von Cornelia Funke, des »Schreckens aller Meere« und seinem Schiff, dem »Blutigen Hering«, begeistern nicht nur kleine Leute. Die Schauspieler*Innen der Studio-Bühne Essen erwecken die Geschichte von Käpten Knitterbart zum Leben.
Das Literaturviertelfest in der Akazienallee bietet außerdem die Möglichkeit, das Ruhrgebiet auch literarisch neu zu entdecken. Der Autor Stephan Toben hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Literaturgebiet zu erkunden. Schrieb Heinrich Böll 1957 noch in seinem Buch »Im Ruhrgebiet«: »Zwischen Dortmund und Duisburg ist Weiß nur ein Traum«, hat sich Thoben mit seinem Rennrad auf den Weg gemacht, um verschiedene Ecken der ehemaligen Kohleregion nach Geschichten auszukundschaften. In der Proust-Buchhandlung erzählt er von seinen Erlebnissen und liest aus seinem Buch »Ein Traum in Bunt«.
Schwierig-schöne Liebesbeziehung
Auch Annika Büsing, Stefan Sprang und Hilmar Klute haben das Ruhrgebiet in ihre Texte einfließen lassen. Büsings Debütroman »Nordstadt« erzählt einfühlsam von der schwierig-schönen Liebesbeziehung zwischen Boris und Nene, die sich in einem Schwimmbad kennenlernen, zwischen Rentnern und Kindern. Stefan Sprang, selbst im Süd-Viertel in Essen aufgewachsen, erzählt in »Henry Becker und der Sommer der Erinnerung« von Krisen in der Mitte des Lebens, finanziellen Nöten und der Liebe.
Hilmar Klute, der mit seinem Debüt »Oberkampf« bekannt wurde, spricht mit Frank Goosen über sein neues Buch »Die schweigsamen Affen der Dinge«, das Goosen als Hörbuch vertont hat. Darin erzählt Klute vom Klassenkampf der 70er Jahre und der Schwierigkeit, aus dem eigenen Milieu auszubrechen.
Das Literaturviertelfest wäre allerdings kein Viertelfest, wenn alles nur an einem Ort stattfinden würde. Die Literarische Gesellschaft Ruhr hat seit Herbst letzten Jahres die literarischen Ortschaften in der Akazienallee um einen Raum erweitert. Der Leseraum mit Empore, großen Fenstern und hoher Decke scheint wie für Literatur gemacht zu sein, dabei hatte er lange leer gestanden. Nur wird er auch während des Festes für Lesungen genutzt. Auch im Correctiv-Buchladen wenige Meter weiter sind Lesungen und Diskussionen geplant, unter anderem zu Künstlicher Intelligenz und Faktenchecks in den Medien.
Zudem ist der K-West Verlag mit dabei – mit seiner Verlags-Ape, der vielleicht kleinsten Lesebühne des Landes. Auf ihr wird es neue Literatur zu hören geben – ein Spontanprogramm mit KI-Literatur. Dazu soll es kurze Buchempfehlungen geben. Denn selbst wenn auf ihr nicht viele Menschen Platz finden, so bietet sie dennoch – viel Raum für Ideen.
Das Programm findet sich unter buchhandlung-proust.de