Am Quantensprung, den die Künstliche Intelligenz für nahezu sämtliche Bereiche des Lebens bedeutet, kommt niemand vorbei. Welche Folgen der Siegeszug der Algorithmen für Kunst und Kultur hat, das untersucht die 12. Kulturkonferenz Ruhr.
Die Tagung, ausgerichtet vom Regionalverband Ruhr (RVR), geht am 19. September in der Lichtburg Essen über die Bühne. Unter dem Motto »Muse oder Monster« stehen Chancen und Risiken der neuen Technik zur Debatte. Das Ruhrgebiet, wo Mensch und Maschine seit der Industrialisierung eine enge Symbiose eingehen, sehen die Organisator*innen als besonders fruchtbares Terrain der KI. Zwar reichen deren Anfänge bis in die 60er Jahre zurück; aber erst der weltweite Siegeszug von ChatGPT, das der US-Softwarekonzern OpenAI im November 2022 veröffentlichte, hat die bahnbrechende Informationsverarbeitung ins öffentliche Bewusstsein gerückt.
Doch welche Auswirkungen hat die KI auf Kunst und Kultur in NRW? Dazu will die Kulturkonferenz mit Vorträgen, Panels und Workshops Denkanstöße geben. Das partizipative Konzept der Tagung, eine Neuerung gegenüber früheren Ausgaben, hat die Dramaturgin und Kuratorin Nicola Bramkamp mit Miriam von Gehren vom RVR entwickelt. Bramkamps Initiative »Save the World« präsentiert in der Lichtburg die künstlerische Intervention »Prompting for Paradise«: Die Digitalkünstler Max Schweder und Tobias Hartmann – im Duo agieren sie als Cylvester – wollen mit dem Publikum ein KI-Kunstwerk erstellen.
KI als Inspirationsquelle
1979 veröffentlichte Hilmar Hoffmann, langjähriger Frankfurter Kulturdezernent, sein Buch »Kultur für alle« – es wurde zu einer Art Bibel für demokratische Kulturpolitik. Können Algorithmen für alle und alles eine ähnliche Wirkung entfalten? Einsatzgebiete jedenfalls gibt es reichlich für die smarten Assistenten, die mit furchteinflößendem Tempo maschinelles Lernen, Analyse großer Datenmengen sowie die Verarbeitung und Generierung von Sprache und Bildern bewältigen.
So sollen sie in Zukunft helfen, die Kulturverwaltung effektiver zu machen. Standardisierte Texte ließen sich ebenso an die Software delegieren wie die Inventarisierung und Katalogisierung von Beständen. Klingt verlockend, weil der Mensch so mehr Zeit hat, um sich Dingen zuzuwenden, die intellektuell anspruchsvoll sind. Wie sich in der Kulturverwaltung routinierte Abläufe von jenen Tätigkeiten trennen lassen, die ein Mitdenken erfordern, auch darauf soll es bei der Konferenz Antworten geben.
Noch tiefgreifender sind die Konsequenzen, die KI für die Kunst mit sich bringt. Dass Musik, Theater, Literatur oder Film ohne menschliche Autorenschaft undenkbar sind, das galt lange als Selbstverständlichkeit. Inzwischen nicht mehr. Gefüttert mit Handlungsanweisungen, den sogenannten Prompts, kann KI auf Knopfdruck malen, Videos erzeugen, komponieren und schreiben. Das Niveau solcher artifiziellen Artefakte vermag in den meisten Fällen nicht mit menschlichen Schöpfungen konkurrieren. Aber wie lange werden wir unsere kreative Krone noch tragen?
Weil das niemand vorhersagen kann, verlegt sich die Kulturkonferenz auf praktische Erwägungen. In den Vorträgen geht es darum, wie Künstler*innen KI als Inspirationsquelle oder Werkzeug nutzen können. Wie sich die Zusammenarbeit von Mensch und Technik konkret gestalten lässt. Wie Kunstschaffende, deren Werke ungefragt als Materialbasis der KI-Systeme genutzt werden, ihre Urheberrechte geltend machen können. Und weshalb KI-generierte Deep Fakes und Desinformationen ohne Kennzeichnung auch eine Gefahr für Kunst und Kultur darstellen. Nicht zuletzt erfahren die Besucher*innen, welche kulturellen Experimentierräume im Ruhrgebiet bereits vom Einsatz Künstlicher Intelligenz bereits profitiert haben.
19. September
Lichtburg Essen