Der knurrende MGM-Löwe, die riesigen Universal-Buchstaben, die sich um die Erdkugel wickeln oder der sternumkränzte Paramount-Berg – sie alle sind das sichere Zeichen, dass der Hauptfilm endlich losgeht. Wer jetzt kein Popcorn hat, der holt sich keines mehr. Dabei sind die erwähnten Beispiele keine Film-Vorspänne, sondern lediglich die Logos der Studios. Mit diesen lässt sich aber auch vor dem Vorspann bereits einiges erzählen. Gerade Warner Brothers ist sehr gut darin, seine Logo-Sequenz auf den jeweiligen Film zu trimmen. Für »Joker« kramte man stilgerecht das alte Logo aus den 80ern hervor, bei »Matrix« wurde das typische WB-Wappen giftgrün eingefärbt und vor »Harry Potter« verwittert das Wappen immer stärker, je düsterer die Filme werden.
Der eigentliche Vorspann, bzw. die Titelsequenz, beginnt erst danach und soll das Publikum auf den Film einstimmen. Im besten Fall entstehen kleine Kunstwerke aus Bild, Musik und Typografie. Insbesondere waren es Gestalter wie Saul Bass und Maurice Binder, die seit den 1950er Jahren Maßstäbe setzten. Von Saul Bass stammt etwa der Vorspann von Hitchcocks »Psycho«, dessen grafische Streifen-Ästhetik, unterlegt mit schrummeliger Musik, dem Publikum direkt zu Beginn zuverlässig die Nerven zersägt. Der Anfang von »Vertigo« mit den extrem angeschnittenen Gesichtsteilen und der hypnotischen Strudelgrafik ist ebenfalls von ihm.
Maurice Binder hat von 1962 bis zu seinem Tod den visuellen Stil der Vorspänne für die James-Bond-Filme entscheidend geprägt und weiterentwickelt. Vor »Dr. No« fackelte er, ausgehend von der Kreisform des ikonischen Pistolenlaufs, ein Feuerwerk aus rhythmisierten, grafischen Animationen ab, dessen Coolness noch heute freudig frösteln lässt.
Aber ach! Die Beschäftigung mit Vorspännen artet schnell in Schwärmerei aus: Die handgeletterte Typografie in Kubricks »Dr. Strangelove«! Die leere Fifth Avenue im Morgengrauen, wenn Holly Golightly bei Tiffany’s Schaufensterbummel macht, begleitet von den Geigen von »Moon River«! Die mit cool-blecherner 80er-Mucke unterlegte Nachtfahrt von Ryan Gosling in »Drive«! Die perspektivische, gelbe Schrift und der riesige ins Bild gleitende Sternenzerstörer bei »Star Wars«! Oder der verstörend-verschattete und mit Knirschgeräuschen unterlegte Vorspann zu »Seven«, der bis in die zerkratzte Typografie hinein die kranke Psyche des Mörders illustriert!
Und natürlich ein weiteres von Saul Bass‘ Meisterstücken, das er kurz vor seinem Tod für Scorceses Las-Vegas-Mafia-Abgesang »Casino« realisiert hat. Zu Beginn springt der Film an sein Ende ins Jahr 1983, Robert de Niro verlässt sein Casino in einem apricotfarbenen Sakko, wie es die Flippers nicht besser hätten tragen konnten. Aus dem Off: »When you love someone, you’ve gotta trust them. There’s no other way.« De Niro steigt in seinen Wagen, der beim Anlassen in einem Feuerball explodiert; man sieht seinen Körper durch die Flammen fliegen, die in die flirrenden Leuchtreklamen der Casinos überblenden. Dazu erklingt der Schlusschor aus Bachs Matthäus-Passion »Wir setzen uns mit Tränen nieder«. Ein 178 Minuten-Drama in drei Minuten komprimiert – kleine, große Kinokunst!
Weitere Vorspänne gefällig? Die Datenbank www.artofthetitle.com sammelt einige davon.