In der Filmklamotte »National Lampoon‘s Christmas Vacation«, die in Deutschland unter dem Titel »Schöne Bescherung« 1989 für wohlige VHS-Nachmittage sorgte, bereitet sich die Familie Griswold auf typisch amerikanische Weihnachten vor – mit einer überdimensionalen Pute und einer Weihnachtsbeleuchtung, die sich gewaschen hat. Vater Clark (Chevy Chase) befestigt 25.000 aus Italien importierte Glühlampen an seinem Haus und im Vorgarten; natürlich keine energiesparende LEDs. Als es schließlich gelingt, die Lichterketten einzuschalten, muss das Atomkraftwerk einen weiteren Reaktor hochfahren, und die Nachbarn werden von dem apokalyptisch-gleißenden Licht fast blind.
Seinerzeit konnte man das noch für dezent übertrieben halten, heute scheinen derlei Lichtexzesse zur vorweihnachtlichen Realität zu werden. Vorbei die Zeiten, als lediglich einfache Kerzen oder kunsthandwerkliche Schwibbögen aus dem Erzgebirge sanft die Abende erleuchteten oder die Essener Lichtwochen in ihren Anfangsjahren Helligkeit in die verrußten Fußgängerzonen brachten. Nun gleichen Einkaufsstraßen, aber auch mutwillig illuminierte Vorgärten einer Mischung aus Las Vegas, dem Foyer des Palastes der Republik und der Lampenabteilung des örtlichen Baumarkts. Es leuchtet nicht nur; es blinkt, pulsiert, flimmert in kalter LED-Pracht. Wären die Heiligen Drei Könige heutzutage unterwegs zur Krippe, müssten sie das mit dem Stern von Bethlehem vergessen – der vorweihnachtliche Lichtsmog über den Städten würde die stellare Navigation unmöglich machen. Im Gegenzug könnte man das Dach der Krippe mit einer Lichterkette als Landmarke ausstatten, wie in den Vorgärten und auf den Balkonen der Vororte, wo immergrüne Ziersträucher als weiteres Opfer dem Beleuchtungswahn anheimfallen und mit Lichtnetzen gefesselt ihr karges Dasein fristen.
Wabernde Lichtschläuche
Überhaupt wird illuminiert, was die weihnachtliche Symbolik hergibt, quer durch Religionen und Dekorationsanschauung. Weihnachtsmänner, Rentierschlitten, Engel, Sterne, Krippenfiguren. Energiesparende LED-Christuskinder. Grünlich wabernde Lichtschläuche umschlingen Wertstofftonnenbehältnisse; an Vordächern glühen bläuliche Eiszapfen aus Kunststoff. Ähnlich ästhetisch ärgerlich sind die riesigen aufblasbaren Schneemänner und Nikoläuse auf Garagendächern, die nicht nur von innen beleuchtet sind, sondern mittels eines Kompressors in Form gehalten werden und die Anrainer mit besinnlichem Dauerbrummton versorgen. An manche Dinge hat sich die Beleuchtungsindustrie noch nicht gewagt. So ist aus Sankt Martin noch kein glühbirnenübersäter, elektrischer Reiter geworden, wie seinerzeit Robert Redford in Sydney Pollacks gleichnamigem Spät-Western von 1979. Ihm genügen noch die schaukelnden Laternen der Kinder. Und Sonne, Mond und Sterne.