Nein, er sei doch selbst Vintage, sagt Dirk Uhlenbrock lachend auf die Frage, ob es ihn ärgert, wenn man ihn als »Retro-Designer« bezeichnet. Nicht, weil er den alten Zeiten hinterher trauern würde, sondern weil ihn Dinge interessieren, die erhaltenswert sind, ob das nun ein Tesa-Abroller oder ein Stempel von damals sei. Mit diesen Schönheiten umgibt er sich auch in seinem Designbüro »Erste Liga« in Essen-Werden, der Raum ist gefüllt mit Plakaten, Werbeschildern, Spielzeugen und Modellautos.
Der Retro-Einfluss ist unverkennbar in Uhlenbrocks grafischen Arbeiten und Illustrationen – geschwungene Schriften im Stil der 50er und 60er Jahre, eine passende, matte Farbpalette, scheinbar schwer abgeliebte Oberflächen. Schon früh hat sich Uhlenbrock, der 1964 in Essen geboren wurde, für Typografie interessiert und mit den »Letraset«-Schriftkatalogen seines Großonkels beschäftigt. Während er Kommunikationsdesign in Wuppertal studierte, konzentrierte er sich auf die Bereiche Typografie und Illustration. Damals, zu Beginn der 90er Jahre, setzte die Digitalisierung der Branche ein. Mit Software wie »Fontographer« entwarf und programmierte er erste eigene Schriften am Computer.
2009 dann gründete er mit dem Buchhändler Thomas Schmitz, der den Stadtteil Essen-Werden mit Literatur versorgt, das Designbüro »Erste Liga«. Uhlenbrock hatte schon vorher an der visuellen Kommunikation der Buchhandlung gearbeitet, insofern war das ein logischer Schritt. Gemeinsam entstehen Projekte wie das Kundenmagazin »schmitzkatze« mit raffiniert abgewandelten Covern – mal ist eine Katze im Stil der flämischen Alten Meister abgebildet, mal nur ein rotes Wollknäuel. Einmal im Jahr erscheint der Kinderliteraturführer »Kilifü« für Kunden, Kindergärten, Schulen und weitere Interessenten, in dem 300 Neuerscheinungen der Kinder- und Jugendliteratur vorgestellt werden. Durch die jahrelange Zusammenarbeit hat Uhlenbrock dem beschaulichen Stadtteil an der Ruhr nach und nach eine besondere Bildsprache verpasst. Das schick gestaltete Bürger-Rezeptbuch »Sol-Ei & Sahneschnitte« braucht die Konkurrenz in Designbuchläden nicht zu fürchten, und seine Illustrationen von Werdener Gebäuden machen sogar Fachwerkhäuser cool.
Genauso gern arbeitet Uhlenbrock mit der Essener Druckerei »Letterjazz« zusammen, die auf historischen Maschinen aus den 50er Jahren druckt, prägt und falzt. Bei gemeinsamen Projekten wie speziell geprägten Magazin-Covern oder den liebevoll gestalteten, haptisch schönen Neujahrskarten tobt man sich gestalterisch und technisch richtig aus. Und wenn Dirk Uhlenbrock zwischendurch mal Zeit und Muße hat, kramt er in seinen Schubladen mit den schönen Dingen, findet dort etwa einen alten Stempel mit verstellbaren Gummibuchstaben und beschließt, diese kurzerhand zu einer neuen Schriftart zu digitalisieren und so für die Nachwelt zu retten. 2021 gibt’s nun ein neues Rezeptbuch – über Suppe. Der Nachfolger des Sol-Eis. Lecker. Und schön.