Doch, es gibt sie noch. Auch wenn sie in den Briefkästen zwischen dem Werberamsch deutlich seltener geworden ist. Manchmal rutscht sie aber einem doch entgegen – die Postkarte. Meist als Trägerin von einigen liebevollen Zeilen geschätzter Mitmenschen, weniger als Informationsträger, da haben ihr die plappernden Messengerdienste längst den Rang abgelaufen. Wer heute eine Postkarte bekommt, hält etwas Besonderes und hinreißend Analoges in den Händen. Hier hat sich jemand Zeit genommen, eine Karte ausgewählt, handschriftlich einige Zeilen verfasst und zum nächsten Briefkasten getragen. Was für eine großartige Zeitverschwendung in der gegenwärtigen Digitalhektik!
Zu anderen Zeiten war sie hingegen ein Medium der Schnelligkeit. Bereits 1760 bot das Pariser Unternehmen »Petit Poste« offen lesbare Mitteilungen auf Pappkarten an. Die Erfindung der Briefmarke in England befeuerte ab 1840 das weltweite Postwesen. Am 1. Juni 1865 wurde in Preußen die »Offene Karte« eingeführt, auch »Aviskarte« oder »Drucksachenkarte« genannt, die Vertreterbesuche ankündigte. Im selben Jahr hatte der Geheime Postrat Heinrich Stephan die Idee eines offen versandten »Postblattes«, eine Alternative zum damals aufwendigen Briefverkehr. 1870 wurde er Generalpostdirektor des Norddeutschen Bundes und führte die Postkarte in allen preußischen Staaten oberhalb der Mainlinie ein. Zum Massenmedium für die Kommunikation wurden die Postkarten erstmals im Deutsch-Französischen Krieg (1870-1871). Für die Truppen galt Portofreiheit, so dass die Soldaten 10 Millionen »Feldpost-Correspondenzkarten« in die Heimat schickten.
»Hotel gut, Essen gut, Wetter na ja«
In den 1980er Jahren hielt die Deutsche Bundespost jene bürokratisch-karg gestalteten Postkarten bereit, auf denen in monochromen Rot- oder Grüntönen die Adresslinien und die Briefmarke bereits aufgedruckt waren – als günstige Alternative zum Brief und als Träger für räudig ausgeschnittene Coupons für Gewinnspiele oder Kataloganforderungen. Viel schöner waren da die Ansichtskarten, prächtig koloriert, aus den Urlauben der anderen. Hier gibt es zwei Fraktionen – die einen suchen als Motiv bildschöne Landschaften aus, die anderen zeigen ihre Unterkunft nebst Pool und Frühstücksraum, nicht ohne auf der betonbrutalistischen Fassade ein Kugelschreiberkreuz zu hinterlassen, um auf ewig ihr Hotelzimmer zu markieren. Die Kurzprosa der Rückseite – »Hotel gut, Essen gut, Wetter na ja« – vereint die Urlauber dann wieder.
Wem das alles zu analog ist, der legt heute via Instagram eine Bildstandleitung in den eigenen Urlaub oder nutzt eine Postkarten-App. Motive sind selbstgeschossene Fotos, der eingetippte Text wird in eine Pseudo-Handschrift umgewandelt, deren Nähe zur gefürchteten Kindergartentypo »Comic Sans« unverkennbar ist. Der App-Anbieter druckt dann das Ganze als Postkarte aus und gibt sie in die Post. Dann doch lieber selbst in den Souvenirkitsch-Laden gehen, überlegen, wer von den Lieben eine Karte verdient hat und an einem verregneten Urlaubstag 20 Postkarten herunter schreiben. Zuhause freut sich bestimmt jemand über dieses persönliche Stück. Kleiner Tipp: Erhaltene Postkarten als Lesezeichen in Bücher vergessen, um sie später entzückt wiederzufinden.