Beschwingt geht’s zusammen die Straße entlang. Es ist Herbst und Andrea Weber mit Damoun Tamir unterwegs. Zwei Designerinnen auf neuen (Papier)Wegen – zumindest wenn es darum geht, Editorial Designs für Magazine oder Firmen zu entwickeln. Denn wo Illustrator*innen gern mit Stiften, Tusche und Farbe arbeiten, oder mit ausgefeilten Grafikprogrammen am Computer, lieben es die beiden analog. »Sicher, man kann am Rechner schnell Dinge löschen, kopieren oder verschieben, das langweilt mich aber«, sagt Damoun Tamir. »Ich habe lieber ein Stück Papier vor mir«. So baut und klebt sie dreidimensionale Objekte, die zu taktilen Illustrationen werden.
Die Vorliebe für Papier hatte Tamir schon an der FH Dortmund, wo sie mit Andrea Weber und Eva Klein Kommunikationsdesign studierte. Erste aufwändige Dinge entstanden, wie etwa ein Plakat für eine Charles-Bukowski-Lesung mit verschüttetem Dosenbier, Fliegen und einem übervollen Aschenbecher – alles aus Papier gebaut, selbst die Zigarettenkippen. Ihr Professor Johannes Graf, der in Dortmund Grafikdesign, Konzept und Entwurf lehrt, förderte die handwerkliche Herangehensweise der drei. Es wäre doch schade, wenn sie irgendwann hinter den Rechnern einer Werbeagentur verschwinden würden – so entstand 2014 das Dortmunder »WRK«–Designstudio.
Seit vier Jahren arbeiten Andrea Weber und Damoun Tamir nun zu zweit. Ihre Aufträge reichen von detaillierten Editorial Designs für Magazine bis zu einem arbeitsaufwendigen Stadion-Wimmel-Plakat für das FIFA Fußballmuseum in Zürich. Los geht’s immer mit der Auswahl des Materials, dann entstehen Entwürfe auf Papier. Und ein Moodboard, um den Kund*innen einen ersten Eindruck zu vermitteln. Das »WRK«-Materiallager ist prall gefüllt mit unterschiedlichsten Papieren, aber auch Farben, Knetmasse und Leim. Natürlich wird nicht alles im realen Maßstab gebaut – bei einer ganzen Küchenzeile, wie sie etwa für das »Evonik-Magazin« entstehen sollte, wäre die Kapazität an Platz und Material sonst schnell erreicht. Außerdem sieht man, je größer man baut, immer weniger vom Oberflächencharakter und der Struktur der Papiere. Ist das Objekt fertig, wird es fotografiert, später geht es dann doch kurz an den Computer zur digitalen Retusche, etwa um die Farben anzugleichen.
In den vergangenen Jahren sind so beeindruckende Arbeiten aus Papier und Pappmaché entstanden. Der Papiervogel »Kurt« etwa, ein Kundengeschenk zum Start von »WRK«. Ein rosiges Brathähnchen für das Magazin Business-Punk, geschichtete Papierporträts der »Paperselfies«, eine Flasche »Union«-Bier für das Heimatdesign-Magazin oder ein animiertes Google-Doodle zum Tag der Deutschen Einheit.
Aber: Beide sind auch offen für andere Materialien. Zu Anfang ihres Studiums hatte Damoun Tamir etwa mit rohem Fleisch und Fisch experimentiert. Eine echte Herausforderung für die Vegetarierin, die Hühnerherzen und Schafsköpfe erst einmal besorgen und dann verarbeiten musste. Inzwischen türmen »WRK« gerne auch mal Erdnussflips zu einem Gehirn, verarbeiten Blumenkohl zu Zigarettenrauch oder verwandeln Tannennadeln in lange Wimpern. Für das Magazin der Deutschen Bahn verbauten sie Popcorn zu filmtypischen Motiven – kein einfaches Unterfangen, weil alles so schnell schrumpelte. Aber wer sich Badeschlappen aus Auberginenscheiben ausdenkt, muss auch damit umgehen können, dass jedes Material seine eigenen Gesetze hat – so eben auch Gemüse. Es muss ja nicht immer mit Papier sein.