Geometrie mit Stabheuschrecke
Daniel Steegmann Mangranés setzt Hunde in den Mittelpunkt seiner Münsteraner Kunstausstellung
Sie dösen, jaulen, gähnen. Einer fängt Fliegen, ein anderer kugelt sich auf dem Steinfußboden. Überall entspannte Hunde, ein ganzes Rudel bevölkert die Hallen und Flure des Institute of Fine Arts in Dhaka in Bangladesch. Der modernistische Bau aus den 1950er Jahren ist Schauplatz von Daniel Steegmann Mangranés poetischem Film, der in ruhigen Bildern den Alltag in der Schule schildert – das selbstverständliche Nebeneinander von Hunden und Menschen, die dort lehren, lernen, arbeiten. Immer wieder macht Steegmann Tiere zu Protagonisten seiner Werke. Unter dem Ausstellungstitel »Dog Eye« zeigt die Kunsthalle Münster nun ältere und ganz neue Installationen, Soundarbeiten, Filme, Fotos, Zeichnungen, Hologramme und Skulpturen des 1977 in Barcelona geborenen, lange schon in Brasilien lebenden Künstlers. Dabei haben neben den Hunden auch mehrere Stabheuschrecken ihren großen Auftritt: Steegmann Mangrané zeigt die Meister der Mimese mal in ihrer organischen Umgebung zwischen Ästen oder Zweigen, ein andermal in einem geometrisch-konstruierten Ambiente. Es ist wie ein Spiel mit Tarnung und Enttarnung, Sicht-und Unsichtbarkeit.
bis 22. November
Von schlüpfenden Schlangen
Der Kölner Skulpturenpark macht (auch) den Artenschutz zum Thema
Sein Leben fristete er in einem Labor auf Hawaii – die meiste Zeit allein. Denn obwohl ein ganzer Haufen Wissenschaftler*innen fieberhaft nach einer Freundin für »Lonely George« fahndete, blieb die Baumschnecke Single. Und so kam es, wie es kommen musste: Als der Kleine am Neujahrstag 2019 entschlief, starb mit ihm seine ganze Art. Dies ist der traurige Background zu Ayşe Erkmens Mini-Mahnmal, das im Kölner Skulpturenpark an einem Baumstamm klebt. Das lebensechte Bronze-Abbild der Baumschnecke ist der kleinste unter den acht Neuzugängen, die mit der aktuellen, inzwischen zehnten Ausgabe von Köln Skulptur auf das verkehrsumbrauste Terrain zwischen Rhein, Zoo, Brücke und Botanischem Garten gefunden haben. »ÜberNatur – Natural Takeover«, so der Titel der Freiluftausstellung, die »das Bewusstsein für globale wirtschaftliche Verflechtungen schärfen und ein breites Verständnis für die tiefgreifenden Auswirkungen auf die Umwelt« schaffen will. Es geht also um Natur, um Pflanzen und Tiere, Gefährdung und Anpassung. Der arme George und seine Spezies haben den menschengemachten Wandel nicht überlebt. Viel besser kommt der erstaunlich anpassungsfähige Birkenspanner mit Veränderungen in seinem Lebensraum zurecht: Nachdem die Industrie mit ihren Abgasen die Birkenwälder verschmutzt hatte, nahm auch er in kürzester Zeit eine dunklere Tarnfarbe an. Leelee Chan dreht die Idee ein Stück weiter und schafft aus massengefertigten Einzelteilen eine raupenähnliche Struktur, die wie ein Mischwesen zwischen Natur und Technik anmutet. Wer im 21. Jahrhundert überleben will, muss eben flexibel sein. Oder virtuell. Wie nah real und digital schon jetzt beieinander liegen, macht Katja Novitskova klar: Im Netz fand sie Bilder zweier Kornnattern, die soeben ihr Ei verlassen. Riesenhaft vergrößert und auf Aluminium gezogen stehen die schlüpfenden Schlangen-Babys nun in der Wiese und führen uns vor Augen, dass wir längst in der Virtualität angekommen sind – und sie als neue Wirklichkeit ansehen.
Bis Juli 2022
Lachse fangen im Rhein
Das Clemens Sels Museum in Neuss geht auf Zeitreise in die Fischereigeschichte
Fischerhäuschen, Tür an Tür. Wer heute durch den Kölner Stadtteil Sürth läuft, kann sie noch gut erkennen, die Dorfstruktur mit ihren winzig kleinen Fischerbehausungen von einst. Nah am Wasser waren natürlich viele Orte entlang des Rheins gebaut. Aber längst hat der Strukturwandel viele Spuren der Rheinfischer weggewischt. Das Clemens Sels Museum in Neuss erinnert nun an eines der ältesten Nahrungsmittel der Welt, an zehntausend Jahre Fischereigeschichte und wunderbare Wasserwelten –zwischen Erft und Rhein.
bis 31. Januar 2021
www.clemens-sels-museum-neuss.de
Im Großstadtgetümmel
»Boten, Helfer und Gefährten« auf der Bochumer Zeche Hannover
Ach, Bochum. Als ein »Himmelbett für Tauben« besang einst Herbert Grönemeyer seine Heimatstadt. Inzwischen wird’s für die »Rennpferde des kleinen Mannes« im Großstadtgetümmel immer ungemütlicher. Welche Rolle spielen Tiere im Alltag der Menschen? Die Ausstellung »Boten, Helfer und Gefährten« zeigt auch, wie sich unsere Einstellung zu ihnen verändert, stellt Zuchtsauen neben Glücksschweinchen und nimmt Pferdemädchen oder Urban-Beekeeping-Bewegungen in den Blick. Begleitet wird die Ausstellung übrigens von einer besonderen Forscherkommission: Das Kulturwissenschaftliche Institut in Essen koordiniert Wissenschaftler und Museumsfachleute aus ganz NRW, die aus einem Arbeitskreis heraus lehren, ausstellen und forschen – zum Thema »Mensch und Tier im Ruhrgebiet«.
bis 25. Oktober
https://www.lwl.org/industriemuseum/standorte/zeche-hannover
Zum Schäfchenzählen nach Sibirien
Pentti Sammallahtis still-schönen Tierbilder im Kölner Forum für Fotografie
Wenn der Hund stolz auf dem Motorradsattel thront, bewundern ihn selbst seine Kumpels. Pentti Sammallahti hat das originelle Schauspiel 1992 auf einer Dorfstraße im tiefverschneiten Solovki, einer Inselgruppe im Weißen Meer, beobachtet. Er sei ein Wanderer, sagt der Finne (Jahrgang 1950). Dabei ist er offensichtlich niemals ohne Kamera unterwegs – Reisen und Fotografieren sind für ihn eins. Und immer wieder sind es Tiere, die der umherziehende Bildersucher ins Visier nimmt: In Namibia entdeckt er Flamingos im Schilf, in Indien erwischt er einen kleinen Hund im Tiefschlaf auf dem Rücken einer müden Kuh. Auf einer wunderschönen Weide in Sibirien mischen sich ein paar strahlend weiße Ziegen ins Schafs-Getümmel. Und in Helsinki treiben zwei Enten auf einer Eisscholle dahin. Die retrospektive Ausstellung im Forum für Fotografie belegt Sammallahtis Schaffen der letzten Jahrzehnte mit stillen, schönen, oft auch amüsanten und durchweg schwarz-weißen Bildern, die von einer vielleicht verlorenen Harmonie von Tieren, Menschen, Landschaften erzählen.
bis 24. Oktober
Wo die wilden Pferde wohnen
»Erzähl mir vom Pferd« im LWL-Freilichtmuseum Detmold
Das Leben ist kein Ponyhof. Wer wüsste das besser als die Vierbeiner im Merfelder Bruch, denen sich einmal im Jahr Abenteuerlustige an die Fersen heften – im wahrsten Sinne des Wortes. Das Einfangen der westfälischen »Wildpferde« ist ein volksfestartiges Spektakel – wenn nicht gerade eine Corona-Pandemie dazwischen kommt. Tuula Kainulainen hat im Auftrag des LWL nicht nur die Dülmener Jährlingshengste fotografiert. Im LWL-Freilichtmuseum Detmold zeigt sie Westfalen als Pferdeland und erzählt von Mensch-Tier-Beziehungen in der Landwirtschaft, im Wald, Sport und in der Therapie. Passend dazu hält sich das Museum selbst Senner, eine der ältesten Rassen der Welt. Sein eigener Beitrag zum Artenschutz? Zwölf Fohlen seit 2001.
bis 31. Oktober