Mit Knüppeln und Wasserwerfern startet die Geschichte von laif. Denn in der Protestkultur der 1980er Jahre ist die Fotoagentur groß geworden. Mittlerweile ist aus dem widerständigen Kollektiv ein weit vernetztes Unternehmen geworden, das mit 400 Fotograf*innen in aller Welt zusammenarbeitet. Und seinen Sitz weiterhin in Köln hat. Hier wird nun auch der 40. Geburtstag gefeiert – mit einem Corona-Jahr Verspätung im Museum für Angewandte Kunst. Die große Ausstellung überblickt vier Dekaden wie im Zeitraffer. Dabei steht für jedes Jahr ein anderes fotografisches Projekt.
Günter Beer und Manfred Linke waren einst mit der Kamera dabei, als in Brokdorf gegen den Bau des geplanten Atomkraftwerks demonstriert wurde. Heimgekehrt in die Kölner Südstadt-WG, beschlossen sie, die Foto-Ausbeute zusammenzulegen und im »Brokdorf-Volksblatt« öffentlich zu machen. Das war am 28. Februar 1981 der Beginn der Fotoagentur laif, deren Mitglieder sich bald auch zu anderen Hotspots des Widerstands aufmachten. Zur Startbahn West am Frankfurter Flughafen etwa und nach Wackersdorf, wo man sich gegen den Bau der nuklearen Wiederaufbereitungs-Anlage stark machte.
Bettina Flitner war 1992 die erste von laif vertretene Fotografin. Zwei Jahre zuvor hatte sich die Kölnerin für eine Reportage ins Niemandsland begeben. Nach Berlin, wo sie nach dem Fall der Mauer im Frühling und Sommer 1990 Menschen aus Ost und West begegnete. Im und um den einstigen Todesstreifen herum fotografierte und interviewte Flitner – einen ehemaligen Seiltänzer etwa, zwei Schwestern aus dem Lazarus-Krankenhaus, die sich am Mauer-Spaziergang erfreuten. Und ein chinesisches Fernsehteam, das gekommen war, um über den desolaten Zustand der Grenzbefestigung zu berichten. Auch dieses ältere Paar hat Flitner getroffen und befragt: Ob sie aus dem Osten kommen? »Nee. Wir wohnen seit 30 Jahren in Kreuzberg«, bekam sie zur Antwort. »Da gehen wir auch jetzt nicht hin. Was sollen wir denn da?«
Für viele ist es die Erfüllung des American Dream: Eine ebenerdige Doppelhaushälfte in Sun City. Die Sonne scheint hier in Arizona an fast 300 Tagen im Jahr. Es gibt jede Menge Golfplätze, Tenniscourts und Swimmingpools, aber kaum Kriminalität und überhaupt keine Schulen. Denn wer in der komplett künstlich angelegten Sonnenstadt wohnen will, muss über 55 sein. Ein eigenartiger Ort, der für fotografische Studien wie gemacht scheint. Peter Granser hat sich für sein erstes Fotoprojekt im Jahr 2000 aufgemacht ins Rentnerparadies und jede Menge skurrile Details entdeckt. Gehhilfen und Plastikflamingos, riesige Kakteen, kleine weiße Pudel und coole Ladys in witzigen T-Shirts hat der 1971 geborene, in Stuttgart lebende Fotograf zu einer Bildergeschichte über die Zukunft des Alterns zusammengefasst.
Wohin mit dem alten Computer, Handy, Tablet, wenn das neue Modell auf den Markt kommt? Viele ausgediente Geräte landen nach wie vor nicht in westlichen Recyclinganlagen, sondern auf afrikanischen Müllbergen. Kai Löffelbein war 2011 einer der ersten, der das Problem mit seinen Fotos anging und in der Serie »Ctrl-X. A topography of e-waste« öffentlich gemacht hat. Er zeichnet hier die undurchsichtigen Wege westlichen Elektroschrotts nach, den man illegal im Ausland ablädt, um teure Recyclingprozesse im Westen zu umgehen. Geradezu apokalyptische Szenerien fotografierte Löffelbein etwa auf der Deponie von Agbogbloshie in Ghana. Das Bild zeigt einen Jungen der sich abmüht, an das kostbare Innenleben eines Fernsehers zu gelangen.
Museum für Angewandte Kunst Köln
bis 25. September