Im Museum Goch zeichnen über 100 Bilder von gut 30 Dokumentarfotografen ein facettenreiches Bild der vergangenen Jahrzehnte in England: »Facing Britain«.
360 Pfund legte er für den alten Doppeldecker hin. Dann ging Daniel Meadows an die Arbeit. Die Sitze mussten Platz machen für Bett, Tisch, Dunkelkammer. Mit dem Wohn- und Arbeitsgefährt startete der junge Fotograf 1973 seine Tour. Meadows tingelte 14 Monate durch die Lande, machte Halt an über 20 Orten und schoss wer weiß wie viele Gratis-Porträts. Die Leute kamen gerne, posierten allein, zu zweien oder in Gruppen: die Oma mit dem Enkel, zwei langhaarige Jungs mit Kippen zwischen den Fingern, fein frisierte Freundinnen im zugeknöpften Wintermantel.
Einen Abzug bekamen sie geschenkt, das Negativ behielt der Fotograf für sich. »Mein wichtigstes Motiv waren und bleiben die Menschen in Großbritannien«, sagte Meadows einmal dazu. »Celebrities haben mich dabei nie interessiert, nur die ganz normalen Leute.« Diese Nähe zum Menschen erkennt Ralph Goertz bei vielen Fotografen der Schau, die er für Goch kuratiert hat. Auch würden sich die Briten in ihrer freien fotografischen Arbeit viel öfter und intensiver den großen sozialen und gesellschaftlichen Problemen zuwendeten als etwa die deutschen Kollegen, so Goertz.
Mit der Kamera in britischen Fernsehecken
Das Themen-Spektrum in Goch reicht vom John Bulmers Blick auf den Untergang der Kohleindustrie in den 1960er Jahren über den Nord-Irland-Konflikt, thematisiert von Kevin O’Farrell, der während der 70er in Belfast fotografiert hat. Weiter zu Tish Murtha – um 1980 schaute sie sich unter arbeitslosen Jugendlichen um, die ihren Frust im Schnaps ertränken. Nur wenige der in der Ausstellung gezeigten Künstler*innen haben Karriere gemacht, wie die Magnum-Fotografen David Hurn und Martin Parr. Die meisten konnten ihre Arbeiten selten zeigen und sind fast vergessen. Einige werden allerdings gerade wiederentdeckt wie John Myers. Parallel zu den Bechers und ähnlich konzeptuell wie diese ging Myers an die Arbeit – etwa wenn er immer nach demselben Muster britische Fernsehecken ablichtete.
Zum Sendeschluss verlässt die Schau das gemütliche Wohnzimmer. In eine unwirtliche Gegenwart führen die jüngst entstandenen Fotos von Robert Darch. Grau in grau fasst der 1979 geborene Fotograf aus Birmingham den Seelenzustand einer Generation: Nebelige Buchten, trübe Hügel, abgestorbene Bäume, dazwischen melancholische Porträts junger Menschen. Und immer wieder das Meer als trennendes Element: »The Island« nennt Darch seine Serie.
MUSEUM GOCH: »FACING BRITAIN«
27. SEPTEMBER BIS 8. NOVEMBER