Die Uraufführung »Im Anfang war der Zaun« ist eigentlich nicht wirklich geeignet, ein großes Jubiläum zu begehen. Am Premierenabend sind es aber nun einmal genau zehn Jahre, die Stefan Bachmann als Intendant des Kölner Schauspiels wirkt. Etwas nervös, aber gut gelaunt steht er nach dem Schlussapplaus vor dem Publikum. Seine elfte Saison wird auch seine letzte sein: Bachmann wechselt an die Wiener Burg – ein Ritterschlag. Kay Voges, der vom Wiener Volkstheater zurück nach NRW kommt, folgt ihm nach – mit großen Erwartungen auf den Schultern, weil er in Dortmund so fulminant gewirkt hat.
Der scheidende Kölner Intendant lädt alle Anwesenden auf ein Kölsch ein, schaut positiv auf seine nicht enden wollende Interimssituation im Depot im Carlswerk zurück: »Mülheim gehört jetzt zu Köln. Das passiert, wenn man Mauern in den Köpfen abbaut.«
Das zu dieser Aussage passende Stück, das im Untertitel »Eine performative Kartographie gegenwärtiger Mauern« heißt, ist eine Performance mit drei Akteuren in einem ziemlich nackten Bühnenbild, wie man sie eher im Off-Theater-Bereich vermuten würde. Das zwischen Berlin, Basel, Hildesheim, Santiago de Chile und jetzt auch Köln operierende Kollektiv what about: fuego (in etwa: „Wie wäre es mit: Feuer“) hat zu Mauerbauten in der jüngeren Geschichte und Gegenwart recherchiert und präsentiert diese Recherche ziemlich trocken und mit wenig Mehrwert.
»Wir sind nicht neutral«
In einem Prolog erklären die zwei Schauspielerinnen und ein Schauspieler erstmal ihr Selbstverständnis – und wohl auch das des Performance-Kollektivs: »Wir sind nicht neutral. Noch objektiv. Und vor allem sind wir nicht autoritär. Und wir sind offen für alle Arten von Ambivalenzen und Widersprüche.« Das Problem des Abends ist allerdings, dass es kaum Ambivalenzen und Widersprüche gibt. Oft begnügen sich die Performer in einer Aufzählung von Mauer- und Grenzzaun-Projekten und den politischen oder wirtschaftlichen Begründungen dahinter. Natürlich geht es um die Mauer, die Donald Trump an der Grenze zu Mexiko errichten ließ (»Und die anderen sollen sie bezahlen!«), um die Mauern der EU-Außengrenze, die Mauern zwischen Israel und Palästina, Indien und Pakistan oder die Berliner Mauer.
Grenzen, Barrieren, Mauern stellen die drei in der nackten ehemaligen Fabrikhalle des Depots 2 mit langen Papierbahnen oder Plexiglasscheiben dar, auf die manchmal ihr Spiel projiziert wird, wenn es hinter einer dieser Barrieren stattfindet. Das ist kein besonders starkes Bild für die oft willkürliche Trennung von Ländern, Völkern, Städten, Familien oder Anbaufeldern, die Grenzprojekte bedeuten können.
Am stärksten ist die Performance, wenn sie einmal wirklich ins Erzählen symbolträchtiger Geschichten kommt, wenn etwa Anja Laïs eine Geschichte zwischen Ost- und West-Deutschland erzählt: Vom Großvater, der im Osten Selbstmord begangen hat und von seiner Familie, die mit dem VW Käfer Farbe über die Grenze geschmuggelt hat. In den Recherche-Passagen bleibt das Stück hingegen zu eindimensional, im Prinzip auf eine Aussage beschränkt: Mauern sind in einer globalisierten Welt sinnlos, eine reaktionäre Illusion von Sicherheit.
19. Oktober, 4. November
Schauspiel Köln, Depot 2