»Was macht die Kunst?«»Die Kunst geht nach Brot.« »Das muß sie nicht; das soll sie nicht…« So geht ein berühmter Dialog zwischen Prinz und Maler in Lessings Trauerspiel »Emilia Galotti«. Grundbedürfnisse stillen nach dürftiger Zeit: Dazu zählte die Kunst, die wenn nicht nach Brot, so doch nach Kohle ging. 1947 fanden erstmals die Ruhrfestspiele statt, nachdem die Hamburger Theater im strengen Winter 46/47 mit LKW ins Revier gefahren waren, um wärmende Hilfe zu erbitten, und mit jede Menge Kohle zurückkehrten, ohne Genehmigung der Besatzungsmächte, bis die Militärpolizei den Transport entdeckte. Im Sommer darauf erfolgte der Dank der Hamburger, von Staatsoper, Deutschem Schauspielhaus und Thalia Theater. Der Stoffwechsel sah vor: Kunst gegen Kohle. Das Programm, beginnend mit Mozarts »Figaros Hochzeit«, war knapp – Schmalhans nicht nur Küchenmeister, sondern gewissermaßen auch Inspizient. »Festspiele inmitten der Stätten harter Arbeit« sollten es werden, sagte damals Hamburgs Bürgermeister Max Brauer.
Vier Jahre später, 1951, auf der Gründerzeche König Ludwig 4/5 in Recklinghausen-Suderwich begegnen sich unterm Förderturm Kumpel und Schauspieler – Bernhard Minetti, leger im kragen- und krawattenlosen Brecht-Look, eine strahlende Heidemarie Hatheyer, der piekfeine Hans Quest –, die zum Gastspiel mit Schillers »Don Carlos« anreisten (siehe Foto links). Heute sind die Ruhrfestspiele – gegründet von der Stadt Recklinghausen und dem DGB und seit 1949 unterstützt vom Land NRW – ein siebenwöchiges Großereignis. Einige Zeit unterhielten die Festspiele ein eigenes Ensemble; Intendant Hansgünther Heyme wandelte sie ab 1990 um in ein Europäisches Festival. Ein glückloser Frank Castorf warf 2003 (unter der Ober-Intendanz von Gerard Mortier) schnell die Brocken. Seither dirigiert Frank Hoffmann vom Grünen Hügel aus erfolgreich, spartenübergreifend und breitenwirksam die Ruhrfestspiele, nunmehr verortet an einem Dutzend Spielstätten. Auf den folgenden Seiten stellen wir Ihnen eine Auswahl von Produktionen der Jubiläums-Saison vor, bei der wiederum auch das Hamburger Schauspielhaus und das Thalia Theater auftreten.
1. Mai bis 19. Juni 2016.