Demokratie braucht Räume, Ideen und Haltung – und Kultur kann dabei helfen, sie zu schaffen. Die 13. Kulturkonferenz Ruhr lädt am 11. September in Gelsenkirchen zu Vorträgen, Diskussionen und einem Demokratiespiel ein, um Politikverdrossenheit konstruktiv entgegenzutreten.
Die Kulturkonferenz Ruhr hat den Finger am Puls der Zeit. Im vergangenen Jahr befasste sich die vom Regionalverband Ruhr organisierte Tagung mit »Künstlicher Intelligenz in Kunst und Kultur«. Inzwischen vergeht kaum ein Tag, an dem dieses Thema nicht Gegenstand der öffentlichen Debatte ist. Das gilt im selben Maße für das Motto der 13. Runde der Veranstaltung, die diesmal am 11. September in Gelsenkirchen stattfindet. »Demokratie gestalten: Kultur für Räume, Ideen und Haltung« lautet die Losung für den Ideenaustausch, der von 10 bis 18 Uhr an drei Orten über die Bühne geht: in der Heilig-Kreuz-Kirche, im Wissenschaftspark und auf der Bochumer Straße.
Demokratie, der Begriff stammt vom altgriechischen Wort für »Volksherrschaft«. Doch dieses Volk, so die Erfahrung der jüngeren Vergangenheit in Deutschland, driftet immer mehr in Richtung der politischen Ränder. Vor allem das Erstarken der AfD löst bei vielen Befürchtungen aus, dass Errungenschaften wie freie und geheime Wahlen, Gewaltenteilung, Garantie der Grundrechte oder Pressefreiheit mittelfristig zur Disposition stehen.
Appell an konstruktive Gefühle
Wie können Kunst und Kultur dazu beitragen, diese fatale Entwicklung zu bremsen, womöglich sogar umzukehren – hin zu einer politischen Willensbildung, die auf Argumenten beruht, nicht auf Ängsten und Ressentiments? Diese Frage steht im Mittelpunkt von drei Vorträgen, gehalten von Sally Lisa Starken, Johannes Hillje und Julia Reuschenbach. Warum offenbar so viele Menschen den Glauben an die Demokratie verloren haben, das will Sally Lisa Starken ergründen. Die Autorin setzt sich dafür ein, durch Debatten und Begegnungen für mehr Vertrauen bei jenen zu werben, die der Lage im Land mit Fundamentalskepsis oder gar Totalverweigerung begegnen. Kulturelle Orte wie Museen, Festivals oder soziokulturelle Zentren, glaubt Sally Lisa Starken, können – und müssen – vermehrt als Katalysatoren für Demokratie-Verbundenheit in Erscheinung treten.
Johannes Hillje hat jüngst mit dem Buch »Mehr Emotionen wagen! Wie wir Angst, Hoffnung und Wut nicht dem Populismus überlassen« ein Plädoyer für mehr positive Gefühle im Demokratie-Diskurs gehalten. Emotionen, so der Politik- und Kommunikationsberater, dürfe man nicht den Populist*innen und Extremist*innen überlassen. In seinem Vortrag will Hillje darlegen, wie der Appell an konstruktive Gefühle – insbesondere über Social Media – dem Demokratie-Verdruss entgegenwirken kann. Kunst und Kultur spielten dabei eine wichtige Rolle.
Für die »Übergeordnete Perspektive« sorgt am Nachmittag Julia Reuschenbach. Die Politikwissenschaftlerin fragt, wie wir wieder miteinander statt gegeneinander diskutieren können. Und welche für die Demokratie notwendigen Diskursräume Kunst und Kultur bieten. Als Nischen für Experimente und unkonventionelle Ideen haben sie sich längst ihren Platz erobert. In Zukunft aber kommt es darauf an, die Nischen zu verlassen und in die breite Öffentlichkeit hineinzuwirken.
Als Auflockerung zwischen den Vorträgen, Paneldiskussionen und Workshops präsentiert die Kulturkonferenz Ruhr ein »interaktives Mini-Demokratiespiel«. Hierbei animieren die Bochumer Theatergruppe Anna Kpok und Anna Tenti die Teilnehmer*innen der Konferenz zum gesitteten Zanken. Lust auf Streit und Auseinandersetzung, so die ›Moral‹ des Spiels, ist das Salz in der Suppe des Ringens um die richtige Form der Demokratie.