Alles nur Traum: die Lust und die Liebe und die ihre Gestalt wechselnden Männer neben ihr und auf ihr im Bett. Und wie ist es mit ihrer Ankunft am Mittelmeer, die Koffer am Strand neben sich und sich treiben lassend im Wasser, während ihre heimische Wohnung in Deutschland leer ist und in der Vase verwelkte Blumen stehen – auch ein Fantasieprodukt? Zumindest eine Vorausschau von Maschas Geschichte, die sechs Monate früher begonnen hat.
Maria Kogan, 29 Jahre alt, genannt Mascha (Aylin Tezel), hat Sprachen studiert und arbeitet in Köln als Dolmetscherin – vielleicht bald sogar für die Uno als Beste ihres Jahrgangs. Perfekt ist sie nicht nur in fünf Sprachen und darin, von einer in die andere zu wechseln, sondern auch darin, ihr Leben zu managen und Dinge, die ihr weh tun, auszublenden, abzublocken oder im Abseits ihres Gefühls und Bewusstseins zu parken. Vor allem ihr jüdisches Flüchtlingsschicksal, das sie so nicht bezeichnet haben wollte und das in Baku, Aserbaidschan, nach dem Tod des Vaters seinen Ausgang genommen hat. Offensiv aus Bedrängnis.
Deshalb büxt Pola Becks filmische Dramaturgie, angelehnt an den Roman von Olga Grjasnowa, sich aber aus dem vielgepriesenen Buch nur die Liebes- und Identitätsproblematik der erwachsenen Mascha herausnehmend, auch immer wieder aus. Sprunghaft, abrupt, unberechenbar. So entkräftet sich der Vorwurf fehlender Stringenz von selbst. Auch wenn der Verlauf des Lebens sich planbarer Ordnung entzieht, die künstlerische Anverwandlung dieser Einsicht und deren Darstellung hätte etwas mehr Grundlage und Verankerung benötigt.
Bunt, diffus, divers
Die Szenen aus dem deutschen Alltag, Technoclub-Nächten, die nicht so wild verlaufen wie Maschas Vorstellung von ihnen, oder der Besuch im Krankenhaus, wo ihr Freund Elias mit einer Beinverletzung liegt und in Folge davon später unerwartet stirbt, kehren immer wieder zurück nach Israel, wo das Wetter und der Hummus besser sind. Aber das ist nicht der Grund.
Mascha sucht ihren Frieden mit einer Welt zu machen, die friedlos ist und nicht aufs Glück abonniert. Versucht sogar, mit Gott zu handeln. Es geht bunt, diffus, multikulturell, divers zu. Orientierungslosigkeit als geistige Lebensform. Die Geschichte ist randvoll mit heutigem wokem Berlin-Gefühl – dass der Stoff vor neun Jahren am Berliner Gorki-Theater, inszeniert von Yael Ronen, auf die Bühne kam, war geradezu zwingend.
Maschas Leben im Zwischenraum – örtlich, emotional, psychisch – ist ein unhaltbarer Zustand, nicht nur wegen dem lebendigen und dem toten Elias in Deutschland, Tal, der Geliebten in Israel, und einem dritten Freund. Ein Krisenreport also. Komplizierte Ich-Suche und schmerzhafte Selbstfindung. Bei einer Birke findet Mascha ihre Ruhe – vorläufig.
»Der Russe ist einer, der Birken liebt«, Regie: Pola Beck, D 2022, 105 Min., Start: 3. November