Als sie rief, kamen alle: Deneuve, Moreau und Schygulla, Belmondo, Delon, Depardieu, Mastroianni und sogar Robert De Niro für einen Tag aus den USA. Agnès Varda, Grand-Madame des französischen und Welt-Kinos und mit allen Trophäen der Branche ausgezeichnet, drehte mit den Stars zum 100. Geburtstag des Films »Monsieur Cinéma«, in dem Michel Piccoli Herrscher über die Kinobilder ist. »Ein Desaster, ein Riesenflop«, sagt sie im Nachhinein heiter.
In einem historischen Filmtheatersaal sitzt die 90-Jährige auf einem Regiestuhl und erzählt entlang ihrer Filme von ihrer Leidenschaft für die siebte Kunst und für das Leben. Kurz nach der Premiere von »Varda par Agnès« auf der Berlinale 2019 starb sie. Diese Hommage an sich selbst und ihre Arbeit ist reich an Erkenntnis und – so wie all ihre etwa 30 Filme – auf ganz normale Weise experimentell, ohne theoretisches Dogma, spielerisch, grundgescheit, von avantgardistischer Klassizität.
Inspiration, Kreation, Teilen
Drei Worte, sagt sie, hätten sie geprägt: »Inspiration, Kreation, Teilen«. Ihren künftigen Kollegen*innen rät sie: »Filmen Sie schnell, ohne Aufwand«. 1954 wechselte sie die Kamera, von der fotografischen zur filmischen. Ihre »cinécriture« mischt, auch bei Dokumentarfilmen, Realität und Fantasie, kombiniert objektive und subjektive Zeit, das Persönliche und Alltägliche, das bei ihr nie banal aussieht, wie in dem kleinen Totentanz »Cléo de 5 à 7«, nimmt den feministischen Standpunkt ein, lässt Texte von Marx & Engels als Lied singen, bebildert die »Hair«-Generation und die Popikone Warhol (»Love Lions«), porträtiert Jane Birkin und dreht wie nebenbei mit ihr einen Spielfilm nach Birkins eigenem Skript. Vardas Mann Jacques Demy, Vater des gemeinsamen Sohnes Mathieu, widmet sie nach dessen frühem Tod 1990 den wunderbaren Film »Jacquot de Nantes«, der die Kindheit des Regisseurs des Farbmeisterwerks »Die Regenschirme von Cherbourg« für die Leinwand wieder(er)findet. Nein, es gehe nicht darum, »die Zeit anzuhalten, sondern die Zeit zu begleiten«, sagt Varda, die weder eine Filmhochschule besucht noch Assistenzen absolviert hat.
Wie in dem melancholisch sommerlichen, von Mozarts Musik umschwebten Juwel »Le Bonheur« (der Film sei »wie ein Pfirsich mit einem Wurm drin«) oder dem steinig harten Stationenweg einer jungen Vagabundin (Sandrine Bonnaire in »Vogelfrei«) ist der Tod ständiger Begleiter in Agnès Vardas Filme, die gerade deshalb Feiern des Lebens sind.
»Varda par Agnès«, F 2019, 120 Min., Start: 6. Februar 2019