Jeanne d’Arc steht am Marterpfahl der Inquisition, in Ketten gelegt, von Flammen umzüngelt. »Die heilige Johanna« war 1957 das Rollen-Debüt von Jean Seberg. Es hinterließ erste Narben. Mit dem Bild ihres Martyriums setzt der Vorspann von »Against all Enemies« über Seberg ein, die mit zwei Filmen zum Idol einer Generation wurde: Otto Premingers »Bonjour Tristesse« nach dem Roman von Françoise Sagan und Jean-Luc Godards »Außer Atem« mit Seberg und Jean-Paul Belmondo. Beide noch vor Beginn der wilden 60er Jahre in die Kinos gebracht und Auslöser der Nouvelle Vague. Der Helm aus blondem Kurzhaar, das mädchenhaft verletzliche Gesicht: ein neuer Typus Frau. Kirsten Stewart ist eine ideale Verkörperung der Garçonne Seberg.
Mehr als 30 Filme, viele mittelmäßige Produktionen darunter, hat sie bis zu ihrem frühen Tod mit 40 Jahren gedreht, dreimal war sie verheiratet, verlor ihr zweites Kind Nina, suchte den Tod, flüchtete zu Drogen und Alkohol. In Costa Gavras’ Film »Die Liebe einer Frau« sieht sie vom Drehbuchautor (ihrem zweiten Ehemann) ihre Beziehung ausgebeutet und sich als psychisch tief verstört geoutet. Die Rolle hat Romy Schneider, eine andere große Gefährdete, gespielt. Wenig später, 1979, wird Seberg tot aufgefunden. Offizielle Todesursache: Suizid.
Benedict Andrews’ Biopic setzt ein mit der Rückkehr der in Iowa geborenen Amerikanerin Seberg aus Frankreich in die USA, eingeladen von Hollywood zu Probeaufnahmen. Es ist das Los Angeles von Black Panther und Black Power und des FBI unter dem Kommunistenfresser J. Edgar Hoover. Auf dem PanAm-Flug bietet sie – in Zeiten der Rassentrennung – der Witwe von Malcolm X ihren Sitz an und trifft den schwarzen Aktivisten Hakim Jamal (Anthony Mackie). Er wird ihr Geliebter und Mentor. Sie, die »etwas bewegen« möchte und ihre Labilität festigen, ballt revolutionär die Faust gegen das weiße chauvinistische Establishment und den falschen American Dream, bevor sie in ihre vom Studio reservierte Villa zieht.
Der konventionell inszenierte, in seiner Spannungs-Dramaturgie jedoch berührend emotionale Film nimmt die von bereits früheren Dokumentationen über Seberg gestützte These auf, dass das FBI (in Gestalt des von Jack O’Connell gespielten, seinen Auftrag zunehmend in Frage stellenden Agenten Solomon) sie im Mindesten überwacht und ihre Reputation beschädigt hat, wenn nicht Schlimmeres. Der Opfergang der Jean(ne).
»Jean Seberg – Against all Enemies«, Regie: Benedict Andrews, USA 2019, 102 Min., Start: 17. September 2020