Die neue Performance von Hartmannmueller »Crash! Deal with it«, Ende Januar zu erleben im Bilker Bunker in Düsseldorf, ist ein fulminantes Lehrstück über Wut.
Das sieht nach Ärger aus: Boxhandschuhe, ein Vorschlaghammer, jede Menge Kabel und eine Sprühflasche mit roter Farbe sind über die weißen Bühne verstreut. Aber auch ein Besen, ein Handfeger, Krepp-Papier, ein Regenschirm und Müllsäcke, die das Chaos perfekt machen.
»Crash! Deal with it« ist der Titel der neuen Produktion des Künstler-Kollektivs Hartmannmueller. Eine Arbeit, die den Zeitgeist trifft. Der Wutbürger hat Hochkonjunktur. Politisch kommt »Crash! Deal with it« freilich nicht daher. Noch: Denn »Wut« ist Thema einer ganzen Werkreihe über vier Jahre (2024-2027), finanziert aus den Mitteln der Spitzenförderung des Landes NRW.
Skurrile heile Welt. Fabian Schulz, Musiker, tippelt, leise vor sich hin summend, an seinen Arbeitsplatz aus digitalen und analogen Instrumenten, ein paar Stufen hoch in der Ecke. Virginia Segarra Vidal tänzelt ebenfalls hinter dem Vorhang hervor. Sie drückt den Po nach hinten raus wie eine Comic-Figur, im Kleidchen mit weißer Rüschenbluse und roter Krawatte. Letztere haben alle sechs Darsteller*innen um den Kragen gebunden. Simon Hartmann spritzt rote Farbe auf den Boden, mit einem kindlich-lautmalerischen »piu-piu«. Lenah Flaig zieht sich fröhlich die Boxhandschuhe an, Felix Ersig klappert tatterig und laut mit Kaffeetassen, die er beim Stapeln auch schon mal zerdeppert. Und dann Daniel Ernesto Mueller in strengem Anzug: Er türmt Lautsprecher aus Holz aufeinander, um sie mit dem Vorschlaghammer zu zertrümmern. Allerdings lässt er das Ding im letzten Moment über den Rücken auf den Boden donnern – immer wieder. Crash: Segarra Vidal erträgt den Lärm nicht länger und erleidet einen Wutanfall.
Die Harmonie ist hin. Alle wenden sich von der Spaßbremse ab, treiben sie in die Enge. Mueller öffnet überraschend seine Arme und drückt sie an sich. Die andern wollen auch. Schließlich rollen die fünf Akteur*innen als Menschenknäuel vergnügt über den Boden.
Es sind sicher nicht die jüngsten, wissenschaftlich basierten Methoden der Konfliktbewältigung, die Hartmannmueller da performen. Doch die revueartig montierte Szenencollage ist eine so unterhaltsame Arbeit, dass sie das Naheliegende bewusst macht – und so das Publikum erreicht. Zumal alle Akteur*innen starke Persönlichkeiten sind – allen voran Simon Hartmann.
Er wird vom tumben Taugenichts zum Choleriker, als er das Klappern der Tassen nicht mehr erträgt. Wutentbrannt brüllt er Ersig an, macht ihn nieder. Und verschwindet durch die Hintertür. Da verfällt die Szenerie in eine Art Dornröschenschlaf. Alles bewegt sich nur noch in Zeitlupe und sinkt zu Boden. Stimmen, Melodiebögen füllen den Raum – digital verstärkt. Deeskalation! Sehenswert, wie Hartmann zurückkehrt zu einer moderaten Schimpftirade. Kurz darauf erscheint er erneut und bringt nur noch ein Schnauben zustande. Beim nächsten Auftritt bittet er darum, die Tassen doch ruhig abzustellen – und Ersig gibt sich kooperativ.
Der Rest ist Schlager-Party. Da sind Hartmannmueller ihren Wurzeln nah, als sie 2014 zu Beginn ihrer Karriere, natürlich voller Ironie, »Melodien zum Träumen« auf die Bühne brachten. Nach höchst kreativen Jahren ein schöner Verweis auf die Anfänge.
30./31. Januar 2025
Bilker Bunker, Düsseldorf