…das wissen am besten sie, die Buchhändler*innen im Land. Diesmal Janssen in Bochum, Wolfgang Welts Lieblingsbuchladen. Wer die Romane des Bochumer Suhrkamp-Autors gelesen hat, dürfte den Laden nahe des Bermuda-Dreiecks schon kennen: Dorthin bestellt sich der Ich-Erzähler stapelweise Bücher und Magazine und kommt mit dem Bezahlen kaum hinterher. Janssen, im Kneipenviertel gelegen, ist eine Institution in der Stadt. Ihre Anfänge fielen vor 60 Jahren ziemlich genau mit der Eröffnung der Ruhr-Universität zusammen. »Das war für eine Neugründung natürlich sehr gut, dass sie gleich Universitätsbuchhandlung wurde und viel an die Hochschule geliefert hat, deren Bibliothek damals noch im Provisorium eines ehemaligen Zechengebäudes lag«, weiß Inhaber Nils Janssen. Er weiß es allerdings nicht aus eigener Erinnerung, sondern von den Geschichten seines Vaters Hanns, der jahrzehntelang im Laden wirkte und manchmal immer noch aushilft.
Auch Fans des Schauspielhauses Bochum kennen Janssen, denn die Buchhandlung hatte lange Jahre einen festen Stand im Foyer. »Bis heute haben wir eine Theaterabteilung und generell ein sehr breites Sortiment«, sagt Nils Janssen. »Uns ist die persönliche Beratung sehr wichtig und dabei setzen wir auf Kontinuität auch unter den Mitarbeitenden. Wenn man die Betriebsjahre von allen zusammenzählt, kommt man sicher auf über 250.« Für Graphic Novels ist Marius Schiffer zuständig. Als unabhängige Buchhandlung setze man sich außerdem für unabhängige Verlage ein. Eine enge Zusammenarbeit besteht etwa mit dem Wagenbach-Verlag, dessen Gründer Klaus Wagenbach zu seinen Lebzeiten auch Lesungen bei Janssen gegeben hat. Zum 50. Geburtstag hatte die Buchhandlung noch Stammkunden und Weggefährten in die Kammerspiele des Schauspielhauses Bochum eingeladen. Das 60-Jährige begeht das Team eher still – und setzt die gute Arbeit vieler Jahre fort.
Marius Schiffer empfiehlt Joann Sfars Graphic Novel »Die Synagoge«
In seiner autobiografischen Graphic Novel »Die Synagoge« spürt der Zeichner Joann Sfar dem Antisemitismus in der französischen Gesellschaft seit den 1980er Jahren nach, der in allen Teilen der Gesellschaft seinen Niederschlag fand und findet.
Ein Beispiel: Bei einem Bombenanschlag auf die Synagoge in der Rue Copernic in Paris am 3. Oktober 1980 wurden zwei Menschen getötet und 46 verletzt. Der damalige französische Premier Raymond Barre verurteilte »diesen niederträchtigen Anschlag der den Juden, die die Synagoge besuchten, galt, aber unschuldige Franzosen (…) traf.« Sfar engagierte sich als Jugendlicher im jüdischen Wachschutz der Synagoge Nizzas. Allerdings tat er dies nicht in erster Linie aus Heldenmut, sondern um nicht »mit den anderen Juden zu beten«. Überhaupt sei er weder für die Ausübung von Gewalt noch zum Heroen geboren, obwohl er längere Zeit viermal in der Woche Kampfsport trainierte. In seiner Entwicklung schwankt er zwischen den Einflüssen seines alleinerziehenden Vaters, einem Anwalt, der so manche Schlägerei suchte, und seines Großvaters, der nach der Teilnahme am Zweiten Weltkrieg der Gewalt abgeschworen hatte. Seine Geschichte erzählt Sfar mit einer gehörigen Prise Selbstironie und immer wieder mit Unterstützung aus dem Totenreich – Joseph Kessel, ein französischer Journalist und Sohn russischer Juden, erteilt ihm so manche Lehre und Abba Kovner, ein litauisch-jüdischer Partisanenführer hält mit ihm Zwiesprache. Eine äußerst lesenswerte Auseinandersetzung mit dem antisemitischen Hass und dem Umgang der Juden Nizzas mit selbigem in Vergangenheit und Gegenwart.
Joann Sfar: Die Synagoge, avant Verlag, 208 Seiten, 30 Euro