Wie interessant sind Museen und Theater für junge Menschen? Um Antworten auf diese Frage zu finden und die Kommunikation zwischen Teenagern und Kulturorten zu fördern, hat sich das Kulturamt Essen ein ungewöhnliches Projekt ausgedacht. Und Jugendliche engagiert, die das Kulturangebot unter die Lupe nehmen – wie bei einer Art Nebenjob. Die nächste Runde von »[#realitycheckkultur]« startet im August.
Beim Stichwort »Beratungsteam« im Umfeld von Kulturinstitutionen denken die meisten an erfahrene Expert*innen, die ihr Know-how einbringen, um Tipps zur Optimierung zu geben oder Probleme zu lösen. Das Kulturamt der Stadt Essen geht einen neuen Weg: Beim »[#realitycheckkultur]«, dessen Pilotprojekt im vergangenen Jahr stattfand, wurden Jugendliche per Ausschreibung eingeladen, drei Institutionen unter die Lupe zu nehmen. Ein Nebenjob, der über fünf Monate lief und honoriert wurde – keine Selbstverständlichkeit in der chronisch klammen Kulturszene.
Ein Blick in die Besucher*innen-Statistik deutscher Museen, Theater und Konzertsäle zeigt, dass eine stärkere Einbindung junger Menschen in der Tat überfällig ist. Liegt das Durchschnittsalter des Publikums bei Veranstaltungen der sogenannten Hochkunst doch deutlich über 50 Jahren. Der seniorenlastige Altersproporz ist einer der Gründe, weshalb der Kunstbetrieb nach wie vor bei vielen als elitäre Bastion gilt. »[#realitycheckkultur]« ist ein Versuch, diese Bastion zu schleifen, zumindest aber zugänglicher zu machen.
Vorkenntnisse nicht nötig
Schauplatz für das Experiment, das Schwellenängste abbauen soll, waren beim ersten Durchlauf das GrendTheater, die Philharmonie Essen und die Stiftung Zollverein. »Das Projekt«, sagt Kulturamtsleiterin Anja Herzberg, »findet im Rahmen der Folkwang Dekade statt, die als ein partizipativer Kultur- und Stadtentwicklungsprozess angelegt ist.« Die Idee dazu hatte Sabine Sutter vom Essener Studio Wundermaterial. Die Forscherin und Kunstvermittlerin sowie Monique Collas, Projektentwicklerin beim Kulturamt Essen, standen mit Tipps und Workshops unterstützend zur Seite. Abgesehen davon agierten die elf Jugendlichen, die engagiert wurden, jedoch eigenständig. Als Kernkompetenz besonders gefragt: Neugier und ein unvoreingenommener Blick. »Die jungen Menschen brauchen keinerlei Vorkenntnisse über Kulturorte«, sagt Monique Collas, »gerade die Perspektive von bisherigen Nichtbesucher*innen ist für uns enorm wichtig.«
Monique Collas und Sabine Sutter bezeichnen sie als »Expert*innen für Zukunft«. Aus der Warte eines Teenagers schauten sie sich vor und hinter den Kulissen um, sprachen mit Mitarbeiter*innen der drei Kulturorte, berichteten, was ihnen auffiel – im Guten wie im Schlechten. »Sie haben ihre eigenen Erfahrungen dort beobachtet«, bringen Monique Collas und Sabine Sutter den »[#realitycheckkultur]« auf den Punkt. »Was irritiert mich gerade? Welche Information benötige ich noch? Was spricht mich sofort an und holt mich ab? Was gibt mir ein gutes Gefühl?« Ebenso wichtig wie das künstlerische Erlebnis war das ›Drumherum‹: Websites, Erreichbarkeit, Verkehrsanbindung, Gastronomie, Preisgestaltung oder Unterstützung für Menschen mit Behinderungen.
Mit einem Ranking hat »[#realitycheckkultur]« also nichts zu tun. »Es geht nicht darum, Likes oder Sterne zu verteilen«, erklärt Sabine Sutter, die sich als »Expertin für Ideenentwicklung an Schnittstellen« beschreibt, »sondern transparent, basiert auf Kriterien und respektvoll ins Gespräch zu gehen, zurückzumelden, Handlungsempfehlungen zu geben, aus denen dann Veränderung entstehen kann.«
Weil die Premiere von »[#realitycheckkultur]« ein Erfolg war und dem Dialog der Generationen neue Impulse verliehen hat, startet das Kulturamt Essen nun eine Fortsetzung. Auf den Prüfstand kommen diesmal Kulturorte im Essener Norden, genauer: im Bezirk 5 (Altenessen, Karnap und Vogelheim).
Die nächste Ausschreibung für »[#realitycheckkultur]« beginnt im Juni und
läuft bis zum 31. Juli. Projektstart ist am 11. August.
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