Besondere Zeiten erfordern besondere Orte: Das Düsseldorfer »Asphalt«-Festival der Künste geht vom 9. bis 19. Juli neue Wege und findet nun auf dem Schwanenspiegel statt. Ein Ausblick aufs Programm.
Eine Krise ist eine Krise und keine Chance. Aber sie kann durchaus den Blick für im Alltag Verborgenes und Übersehenes öffnen. Schließlich reißt sie einen aus Routinen heraus und provoziert ein anderes Denken. Nachdem feststand, dass die für Juli geplante Ausgabe von »Asphalt« in ursprünglichen Form nicht stattfinden kann, hätten die Festivalgründer Christof Seeger-Zurmühlen und Bojan Vuletić ihre ganze Energie natürlich auf das kommende Jahr konzentrieren können. Genau das sei ihnen auch geraden worden, erzählt Christof Seeger-Zurmühlen am Telefon. Sie sollten dieses Jahr einfach abschreiben. Nur passen wollte eine derart vorsichtige Haltung zu dem Festival und seinen Machern nicht.
Denn seit 2012 steht es für eine Kunst, die Stellung bezieht, die möglichst schnell und spontan auf gesellschaftliche Entwicklungen reagiert und dabei immer wieder neue Wege geht. Diesem Profil sind die beiden Organisatoren mit der Entscheidung, kurzfristig mit »asphalt auf See« eine neue Form zu entwickeln, treu geblieben. Vom 9. bis 19. Juli finden nun jeden Tag bis zu vier Veranstaltungen auf dem Schwanenspiegel, einem kleinen See mitten in Düsseldorf, statt. Die bis zu 80 Zuschauer*innen sitzen in Liegestühlen am Ufer. Gespielt wird auf einer sechs auf acht Meter großen Seebühne, auf der es keine Bühnenbildaufbauten geben wird.
»Deswegen konnten wir praktisch keine der ursprünglich geplanten und eingeladenen Produktionen übernehmen«, erzählt Christof Seeger-Zurmühlen. Aber in seinen Augen »gehören Raum und Produktion sowieso untrennbar zusammen«. Also hätten sie eben »speziell für diesen Ort und diese Bühne ein neues Festival kuratiert. Ein Festival, das seine Kraft aus den künstlerischen Persönlichkeiten und den Geschichten schöpft, die sie mitbringen.« Eine dieser Persönlichkeiten ist der Jazzpianist Omer Klein, der am 11. und 12. Juli jeweils ein »Fender Rhodes-Solokonzert« geben wird. Seine Entscheidung, ein Konzert ausschließlich für den Klassiker unter den E-Pianos zu konzipieren, ist auch eine Verbeugung vor Legenden wie Herbie Hancock, Chick Corea und Stevie Wonder.
Neben Kleins Konzert gehören noch weitere Uraufführungen zum Programm. Der Regisseur Helge Schmid erarbeitet mit der Schauspielerin Ruth Marie Tröger ein Monologstück auf der Basis von Maximilian Steinbeis’ Essay »Der Volkskanzler« (17. bis 19. Juli). Steinbeis’ Szenario, das auf erschreckende Weise vorführt, wie leicht sich unsere Demokratie mit demokratischen Mitteln ausheben lässt, hat durch die weltweiten Entwicklungen der vergangenen Monate noch einmal an Aktualität gewonnen.
Schmids Inszenierung, die unangenehme Fragen aufwirft und eindringlich daran erinnert, dass demokratische Freiheiten keineswegs selbstverständlich sind, steht exemplarisch für Christof Seeger-Zurmühlens Festival-Idee. »Es soll kein Spektakel, sondern eine sehr persönliche Erfahrung sein. Es soll den Menschen etwas schenken und ihnen etwas ins Ohr flüstern.« Die Seebühne auf dem Schwanenspiegel ist jedenfalls durch ein Kopfhörersystem mit dem Publikum verbunden – das Programm geht also direkt ins Ohr. In diesem Fall sogar wortwörtlich.