Was wäre gewesen, wenn…: Amerika und die Reise ins All im Jahr 1969 – Berlantis charmanter Film »To the Moon« startet in den Kinos.
»Der Mond ist nur a nackerte Kugel.« So hieß ein etwas anderer deutscher Heimatfilm, den Jörg Graser 1980 gedreht hat und der uns das romantische Glotzen austreiben wollte. Der Zauber des Mondes, in dessen Schein Verliebte und Verrückte Schatten werfen und lunaesk taumeln und der das Zentralgestirn von Eichendorff und seiner poetischen Schule war, ist längst seiner Entzauberung gewichen. Die allerdings leitet wiederum einer neuen Verzauberung Vorschub – durch himmelstürmend technische Innovation und Fortschrittsprojekte nicht zuletzt ideologischer Natur.
»Fly me to the moon«, sang Mister America, Frank Sinatra 1964. Fünf Jahre später, im Juni 1969, saß die Welt versammelt vor den Fernsehbildschirmen, um der Mondlandung der US-Mission Apollo 11 live beizuwohnen, diesem ungeheuren Schritt für die Menschheit, den Neil Armstrong unternommen hat und dabei seine legendären Worte sprach. Das fotografische Bild der aus der Mondperspektive im Nichts auftauchenden Erde hat sich uns als Gleichnis für die Einzigartigkeit der Schöpfung tief eingebrannt.
Oder sollte Armstrong gar nicht den Fuß auf die Oberfläche des Planeten gesetzt haben? War das Unternehmen ein Marketing-Trick, der grandiose Schaulauf eine Inszenierung der Illusionsmaschine? Geschrieben von Rose Gilroy und gedreht von Greg Berlanti, spielt »To the Moon« gewitzt und respektlos dreist mit der Unterstellung einer Nachstellung.
Die toughe PR-Spezialistin und Werbe-Queen Kelly Jones entwickelt diese Idee. Sie wird von Moe Berkus (Woody Harrelson) für die NASA engagiert, um das lahme Weltraumprogramm auf Trab zu bringen und zu befeuern, damit es im Wettlauf mit den Russen wieder die Nase vorn hat und die Stars and Stripes im All flattern, wovon Präsident Richard Nixon sich Prestigegewinn erhofft, während der Krieg in Vietnam Blut und Ansehen kostet und die schwarze Bürgerrechtsbewegung von weißen Rassisten mit Mord und Totschlag aufzuhalten versucht wird.
Es braucht einen Slogan, eine positive Kampagne, braucht Public Viewing, auch wenn das vor einem halben Jahrhundert noch etwas anders gemeint war, jedenfalls eine mitschwingende Öffentlichkeit, um die Astronauten-Crew berühmt sein zu lassen wie die Beatles.
Nebenbei entflammt die clevere und skrupellose Kelly, die Scarlett Johansson umwerfend blond und reizvoll so spielt wie die damalige Ikone Marilyn Monroe es war, noch den smarten, aber hölzernen NASA-Direktor Cole Davis, der seinen Auftrag seriös und strikt wissenschaftlich betrachtet, auch wenn er aussieht wie – nun ja, eben – wie Channing Tatum. Zwei wie Katz und Maus, wie Spencer Tracy und Katherine Hepburn, Cary Grant und Irene Dunne, Robert Redford und Debra Winger.
Als Genre-Mix aus klassischer Screwball Comedy und kritisch-satirisch angehauchtem Spiel mit medialen und über mediale Manipulationen (Stichworte lauten Fake News und Verschwörungstheorie) ist »To the Moon« ein charmanter, manchmal etwas eindimensionaler Spaß, wobei die deutsche Synchronfassung unbedingt zu meiden ist. Das universalistisch gedachte amerikanische Modell seines way of life kriegt hier bei der Reise zum Mond eine Delle, aber dann doch noch die Kurve. ****
»To the Moon«, Regie: Greg Berlanti, USA 2024, 130 Min., Start: 11. Juli