Wieder ans Licht geholt: Julio Brachos Melodram »Schließe mich in deine Arme« von 1954 läuft in den Kinos.
Die schönste Kino-Farbe ist schwarz-weiß. Der Glanz von Gestern wird nie stumpf, wenn er mit Licht und Schatten seine Bilder malt oder deren Illusionen zaubert.
Ein Sänger auf einem Esel am Strand des Ozeans. Fischer, die ihre Netze an Land ziehen. Eine schöne junge blonde Frau, die ihnen beim Einholen des Fangs, eines großen Thunfischs, hilft. Rita liebt José, der arbeitslos geworden ist, weil er zum Streik aufgerufen hat und die Arbeitsbedingungen in der mexikanischen Zuckerfabrik von Don Antonio verbessern wollte. Arme Leute.
Der reiche Patron und skrupellose Ausbeuter nötigt den alten Pedro, ihm eine seiner Töchter zu überlassen: Marta oder Rita. Rita opfert sich für die Jüngere und die Existenz des Vaters, damit der sein Boot behalten kann, und zieht ins Haus des schurkischen Antonio. Sie setzt ihre Tugend und ihren Ruf aufs Spiel.
In den Armen eines ihr gleichgültigen Mannes, der als Politiker Karriere machen wird, lässt sich Rita, nachdem Antonio durch dessen Hand gewaltsam starb, als seine Geliebte in die Hauptstadt bringen, wo sie zu einem berühmten Revue- und Filmstar wird und im Luxus lebt. Dort wird sie den redlichen José wiedertreffen.
Stoff für ein Melodram, wie die fünfziger Jahre in Hollywood es kannten, der sich in schmückenden Falten um das Gerüst des Genres legt: das Romantische, Träumerische, das Sozialrealistische, Leidvolle, Selbstlose, begleitet von Tanz, Gesang, Gitarrenklang, Bossa Nova, schmelzender Filmmusik und feucht schimmernden Augen. Gefühle, die bis an den Himmel reichen – oder bis in die Hölle.
Dieses Melodram entstand 1954 in Mexiko, der Regisseur von »Schließe mich in deine Arme« heißt Julio Bracho und wusste genau, mit welchen Treibmitteln die klassische Traumfabrik funktioniert. Das in seiner Eleganz betörende, in Spannung vibrierende und ins Fantastische ausschweifende Finale, bis Rita sich auf die Heimkehr besinnt, ist ein Juwel.
Heißes und böses Blut wallt. Das Leben wirft überlebensgroße Schatten, in denen Eifersucht, Mord, Verzicht und Einsamkeit wachsen. Es ist auch die Zeit, in der Tennessee Williams seine schwülen Dramen schrieb, in denen Männer und Frauen sich in Stärke und Schwäche abwechseln.
Rita, gespielt von der Sängerin und Schauspielerin Ninón Sevilla, ist schön und traurig und stolz wie Ava Gardner, Lana Turner oder Marilyn Monroe es um die selbe Zeit waren. Eine Entdeckung, wieder ans Licht geholt, auch heute noch.
»Schließe mich in deine Arme«, Regie: Julio Bracho, Mexiko 1954, 90 Min., Start: 21. November