Die Dokumentation »Soldaten des Lichts« über das sogenannte »Königreich Deutschland« und das Innere einer trüben Lebens- und Staatsreformer-Szene.
Ein Kapitel in Thomas Manns »Zauberberg« heißt »Fragwürdigstes«, in dem einige Patienten des Sanatoriums Berghof sich zu okkulten Sitzungen zusammenfinden und sich dem Irrationalen überlassen.
Fragwürdigstes zeigt auch die Dokumentation »Soldaten des Lichts«. Der Extremismus hat viele Farben. Laut Verfassungsschutz gibt es geschätzt um die 23.000 sogenannte Reichsbürger und Souveränist*innen, die die Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennen, sie als »Firma« und »Besatzungskonstrukt« bezeichnen und selbst ihre unabhängige Eigenstaatlichkeit behaupten.
Beispiel: Das in der Lutherstadt Wittenberg situierte »Königreich Deutschland« ist ein Paralleluniversum – und ein Markt der Möglichkeiten, der sich in sozialen Medien und im Netz organisiert und vervielfältigt.
Johannes Büttner & Julian Vogel unternehmen in ihrem Beklemmung auslösenden Film eine Reise in die Grauzone von Esoterik, Bio-Ernährung, Corona-Leugnern, Verschwörungstheoretikern, Atem-Aposteln, Gesundbetern, Life-Coaches und Influencer*innen, die sich zu Teilen wenigstens in enger Nähe zur Reichsbürgerszene bewegen.
In dieser abstrusen und verqueren Spätform von Lebensreform und Hippie-Kultur wird »volles Gefühl« stimuliert und simuliert, wird geschwafelt und schwadroniert und werden nebulöse »gewaltfreie« Schlachtpläne entwickelt. Hokuspokus und brachiale Ermächtigungsfantasien schlagen aus einer Wurzel Triebe.
In einer Art autonomen Wohn- und Arbeitsgemeinschaft lernen wir den schwächlich-blassen, leicht beeinflussbaren Timo kennen, der sich aus innerer Unsicherheit während der Pandemie radikalisiert hat, in der Gruppe als Faktotum eingesetzt wird und sich David alias »Mister Raw« anschließt, der in penetranter Munterkeit Krebs und dunkle Mächte mittels gesunder Ernährung und Fastenkuren bezwingen will und als großer Zampano kosmischer Kräfte und beredter Manipulator viel von sich hermacht.
Die Dokumentation zeichnet ohne Kommentar gewissermaßen ‚objektiv’ auf, was ist, legt Strukturen und Mechanismen offen, durchleuchtet die in ihrer Naivität und Banalität, Gerissenheit und Wahnhaftigkeit einen fassungslos machende Szene und zeigt deren enorme Mobilisierungs-Dynamik.
Man möchte ständig »Aufhören!« dazwischenrufen, die Leute durchrütteln und ihnen den Wecker ans Ohr halten, wenn sie andächtig dem in Halle an der Saale geborenen, gelernten Koch »Peter I.« Fitzek lauschen, der sein Prinzip »Wahrscheinlichkeitswechsel« und seine alternativen Fakten propagiert und sich die »Geisterwelt Gottes« erschlossen haben will. Nach dem pseudoreligiösen, politisch brandheißen Seminar gibt’s Kaltes Büfett mit Krautsalat, Avocado, marinierten Pilzen, Hokaidokürbissuppe etc.
Ein halbes Jahr nach Drehschluss, 2024, stirbt unter unklaren Umständen in Luxemburg der psychisch instabile und körperlich heruntergehungerte Timo, nachdem er zunächst gegen seinen Willen in eine Klinik eingeliefert worden war und auf richterlichen Beschluss entgegen dem Willen seiner Eltern entlassen werden musste. Peter Fitzek wurde im Mai 2025 verhaftet, das »Königreich Deutschland« verboten. ****
»Soldaten des Lichts«, Regie: Johannes Büttner & Julian Vogel, D 2024, 108 Min.,
Start: 14. August