Werner Nekes hat nichts weniger als eine Schatzkammer geschaffen – die größte optischer Geräte, Maschinen, Apparaturen und Dokumente bis zur Frühzeit des Kinos und darüber hinaus. Dass es sich bei seiner Sammlung um nationales Kulturgut, wenn nicht gar um ein Weltkulturerbe handelt, muss nicht bewiesen werden. Dies bestätigt nun auch der Verkauf durch seine Witwe und Erbwalterin Ursula Rickert-Nekes an ein »Konsortium« in drei Bundesländern.
Der 2017 gestorbene Nekes, der 1944 in Erfurt geboren wurde, hat 40 Jahre in Mülheim gelebt und gearbeitet. An der konzertierten Aktion des Erwerbs – die Verhandlungen haben drei Jahre beansprucht und endeten am 3. August mit der Besitzübergabe – hatten sich unter anderem das NRW-Kultur- und Wissenschaftsministerium, die Kulturstiftung der Länder sowie Einrichtungen in Hessen und Brandenburg beteiligt. Nekes Werk wird nun an drei Orte gehen – an die Theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität Köln, an das Filmmuseum Frankfurt und die Filmhochschule Konrad Wolf in Potsdam-Babelsberg. Also an Orte der Öffentlichkeit, der Forschung und Lehre, womit Rang, Qualität und auch akademische Reife seiner Kollektion anerkannt werden. Über die Konditionen wurde Stillschweigen vereinbart. Am 30. Oktober wollen die Beteiligten sich im Kölner Schloß Wahn mit ihren Plänen und Verabredungen vorstellen.
Cinematographen, Schattenfiguren, Filmboxen
Werner Nekes hatte mit Blick auf seine Sammlung von einer »fast schon enzyklopädischen Anstrengung« gesprochen, die übrigens immer wieder auch auf seine eigenen Filme wirkte. Sie umfasst alles, was Phänomene des Optischen betrifft. All das ist nichts weiter als Bild, könnte man sagen. Aber ebenso: Dies alles ist Bild! Raritäten wie der erste Cinematograph von Lumière (1896) sind darunter, einer der ersten Farbprojektoren (um 1908) aus England, eine 1958 in Frankreich gebaute Scopitone-Filmbox. Oder etwa Schattenfiguren aus Indien, Java, Bali und China, der Türkei und Ägypten. Panorama-Ansichten, die in einem Exemplar auf 18 Metern Länge die Strecke London-Richmond nachzeichnen und die Nekes in den Kontext des Morphing und auch des mittelalterlichen Totentanzes stellt. Oder die diversen Techniken von Praxinoskop, Zoetrop oder Stroboskop, von Wundertrommeln und Lebensräder; dazu tragbare Perspektivtheater und Guckkästen, teils groß wie Standuhren, die durch Schichtaufnahmen und Staffelungen Dreidimensionalität imaginieren. Dann die Laterna magica (ein Gehäuse mit Lichtquelle, das etwas nach draußen wirft) und im Gegensatz dazu die Camera Obscura, die die Bilder nach innen saugt. Aber auch Folianten, Grafiken, Kupferstiche, Lithografien, Vexier-, Falt- und Aufleg-Bilderbögen. Dazu Wissenschaftsliteratur, beginnend im 15. Jahrhundert mit Nachdrucken aus dem 13. Jahrhundert. Und etliches mehr.
Die Augen gingen einem über, wenn Nekes durch seine Wunderwelt in Mülheim führte, sie mit nicht endendem Wissen kommentierte und den Besucher dabei skeptisch betrachtete, ob der denn auch alles wohl verstünde. Vielleicht ist sie die weltweit bedeutendste private Sammlung ihrer Art überhaupt, vielfach verliehen an internationale Museen bis Los Angeles, Melbourne und Tokio, Thema bei der Duisburger Filmwoche 2017 und zu bestaunen gewesen in einer enorm reichen Ausstellung 2002 im Kölner Museum Ludwig oder 2009 im Museum für Gegenwartskunst Siegen.
Nur wenige Händler seien in diesem Bereich spezialisiert, sagte der Grundlagenforscher, Experimentalkünstler und Medientheoretiker, und die habe er »quasi ausgebildet«. Dass jemand das gesamte Spektrum optischer Phänomene und ihrer Theorie und Vorgeschichte beherrsche, sei kaum denkbar. Außer Nekes selbst: »Eigentlich bin ich der einzige Gutachter.« Keine Übertreibung.
Man mag bedauern, dass es nicht das eine eigene zentrale Archiv, das eine Museum, das eine Institut gibt, das den Namen Werner Nekes trägt, und am besten zwischen Rhein und Ruhr gelegen wäre. Ursula Rickert-Nekes indes ist »überglücklich« angesichts dieser Lösung, alles anders sei nicht realisierbar gewesen. Notlösungen freilich sehen anders aus. Nekes hat immer interessiert, was zwischen den Bildern liegt. Nun auch in einem Dreieck zwischen hoffentlich konkurrenzlos paritätischen Partnern.